Ein Spiel und seine Regeln

Ab heute verhandeln SPD und Grüne über das Regierungsprogramm für die nächsten vier Jahre – von A-rbeitsmarktpolitik bis Z-weitkräfte. Wie das funktioniert? Acht Fragen und acht Antworten

Ein Wunschkonzert begleitet die Koalitionsverhandlungen. So fordert der Paritätische Wohlfahrtsverband ein besseres Betreuungsangebot für alle Kinder sowie einen Ausbau der Behindertenbetreuung. Außerdem soll sich Bremen für höhere Leistungen an Empfänger von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II einsetzen. Die Forderung nach einer gemeinsamen Schule bis zur 10. Klasse teilt der Verband mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die hätte gern mehr LehrerInnen und ErzieherInnen, eine Entlastung von ReferendarInnen und keine Noten in der Grundschule.Der BUND verlangt innerstädtische Umweltzonen, die nur von schadstoffarmen Fahrzeugen benutzt werden dürfen und möchte öffentliche Gebäude zu 100 Prozent mit Ökostrom versorgt wissen. Auf die Außenweservertiefung und das Kohlekraftwerk sollte Bremen verzichten, finden die Umweltschützer. Ganz anders sieht das die Handelskammer, die sich um den Weiterbau der A 281 mit der Weserquerung sorgt. taz

VON ARMIN SIMON

1. Wer verhandelt hier eigentlich mit wem?

Die SPD mit den Grünen. Verhandlungsführer sind der SPD-Landesvorsitzende Uwe Beckmeyer und der Grünen-Vorstandssprecher Dieter Mützelburg. Daneben sitzen die SpitzenkandidatInnen Jens Böhrnsen und Karoline Linnert sowie je sieben weitere Partei-Delegierte mit am Tisch. Für die SPD sind das die Vorsitzenden der drei Unterbezirke, Carmen Emigholz, Max Liess und Siegfried Breuer, Fraktionsvorsitzender Carsten Sieling, Vize-Landesvorsitzender Thomas Ehmke, Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter und die Bremerhavener Bürgerschaftsabgeordnete Sibylle Böschen. Für die Grünen verhandeln mit die Fraktionsvorstände Matthias Güldner und Anja Stahmann, die Bürgerschaftsabgeordneten Karin Mathes und Klaus Möhle, Landesvorstandssprecherin Susan Mittrenga, Noch-Bundestagsabgeordneter Reinhard Loske und der Sprecher des Kreisverbands Bremerhaven, David Lukaßen. Verantwortlich fürs Protokoll und „dafür, dass kein Chaos entsteht“ ist für die SPD der Chef der Senatskanzlei Hubert Schulte. Die Grünen betrauten Güldner mit dieser Aufgabe, dafür wollen sie zu Bund-Länder-Fragen noch die Bremer Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck hinzuziehen.

2. Wer bestimmt die Verhandlungsthemen?

Parteiinterne Fachgruppen brüten seit Tagen über Listen mit Punkten, die sie unbedingt geregelt sehen wollen, zum Teil mit Hilfe externer Fachleute. Weil Themen, derer sich niemand annimmt, unter den Tisch fallen, laufen derzeit die Leitungen in den Parteizentralen heiß: Dutzende von Initiativen und Interessensverbänden sowie die Verwaltung tragen ihre Vorschläge und Forderungen heran. Allein bei den Grünen füllen diese bereits zwei dicke Ordner. Mitglieder der Verhandlungskommissionen verarbeiten die „Spiegelstrichlisten“ der Fachgruppen zu ausformulierten Entwürfen, die sie mit dem Koalitionspartner vorbesprechen. Arbeitsgrundlage der eigentlichen Verhandlungen sind von beiden Parteien gemeinsam erstellte und von ihren Protokoll-Beauftragten abgesegnete Papiere, die die inhaltlichen Differenzen benennen sollen. Im Plenum „kann nicht jeder irgendein Papier aus der Tasche ziehen“, betont die SPD.

3. Wo tagen die Koalitionäre?

Immer abwechselnd in den Räumen der SPD-Fraktion in der Wachtstraße und bei den Grünen an der Schlachte. Anders als zu Zeiten Henning Scherfs ist das Rathaus tabu – angeblich, weil dort noch zu viele Scherfianer sitzen, offiziell, weil die Verhandlungen Sache der Parteien und nicht der Regierung sind.

4. Gibt es schon einen Plan, über welches Thema wann verhandelt wird?

Der wird erst heute morgen beschlossen. Los geht es mit dem Thema Finanzen, aller Voraussicht nach wird es zwischen den offiziellen Verhandlungstagen immer einen Tag Pause zur Vor- und Nachbereitung geben.

5. Was passiert mit Punkten, bei denen sich die Koalitionspartner nicht einigen?

„Wenn es geregelt werden muss, dann wird es auch ’ne Einigung geben“, prophezeit SPD-Geschäftsführer Roland Pahl. Aber: „Man muss nicht alles regeln.“

6. Drohen böse Überraschungen?

Bestimmt. 2003 etwa beschloss die große Koalition, Schwimmbäder zu schließen und Frauengesundheitszentrum und AIDS-Hilfe die Mittel zu streichen. Auch die Bebauung des Hollerlands war nicht mehr tabu. „Schmerzgrenzen“, heißt es aber, „hat jede Partei“.

7. Was ist mit Ressorts und Posten?

Die werden erst ganz am Ende der Verhandlungen verteilt. Offiziell zumindest.

8. Was hat die Partei-Basis noch zu melden?

Die SPD Bremen-Stadt will immer mittwochs auf Parteikonferenzen Bericht erstatten. Die Grünen informieren ebenfalls wöchentlich, allerdings nur die Mitglieder des Landesvorstands, VertreterInnen der Kreisvorstände, der kreisfreien Gebiete und der Grünen Jugend sowie die Grünen Abgeordneten. Bei gravierenden Bedenken, heißt es, komme ein Thema dann noch mal auf den Tisch. Am Ende müssen Parteitage dem Vertrag zustimmen. Tun sie das nicht, ist alles wieder offen.