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: Vom Stuhlgang zum Heiligen Stuhl: zwei Bücher über Luxus im alten Rom und im Vatikan

Luxus und Macht hängen eng zusammen. Die daraus entstehenden Widersprüche werden heute wie eine Selbstverständlichkeit wahrgenommen. Umgeben von Luxus, Pracht und Pomp inszenierte sich auch das alte stoische Rom mitsamt seiner gesellschaftlichen Hierarchien, alles das war ganz „natürlich“, von den Göttern vorherbestimmt. Die öffentliche Pracht, die das Volk im Gegensatz zur privaten liebt, so Cicero, dient der Manifestierung und Festigung des Anspruchs des Imperium Romanum.

Karl-Wilhelm Weeber untersucht anhand von Pomp und Luxus dieses Herrschaftskonzept. Er leitet seinen Exkurs mit dem Beispiel des alten Cato ein, der im 2. Jahrhundert einerseits gegen „Luxus und Verweichlichung“ predigte, als Anwalt für Zucht und Sittenstrenge in die Geschichtsbücher einging, andererseits gar nichts gegen Prachtentfaltung im öffentlichen Raum einzuwenden hatte. Werden Prunk und Luxus erst einmal im Volk als öffentliches Eigentum wahrgenommen, kann die Oberschicht ihre Privilegien umso bequemer legitimieren. Weeber stellt dabei immer wieder Bezüge zur Gegenwart her, was die Lektüre sehr anschaulich und höchst angenehm lesbar macht. In den Aquädukten skizziert er das markanteste Symbol von Nützlichkeit, Monumentalität und Repräsentativität – das kommt bürgerfreundlich. Die Gladiatorenkämpfe nähern sich unversehens den TV-Talkshows, wo sich Vertreter der Unterschicht und Arbeitslose lautstark mit Fäkalien bewerfen dürfen. Da kommt ein Blick in die Latrinen des alten Roms gerade recht. Weeber gibt seltenen Einblick in die selbst für archäologisch interessierte Besucher nicht vorgesehene Besichtung einer römischen Prachtlatrine. Im eingangs egalitären Raum der Latrine – alle sitzen ungetrennt ohne Standesunterschied nebeneinander – wird die später entstehende Behandlung des „Abstoßenden“, des privaten, intimen Schmutzes in der Literatur und die eingehende Beschäftigung mit Verdauungsfragen zur Geburtsstunde der Luxuslatrine. Vom stinkenden Unort entwickelt sich ein Gesamtkunstwerk mit fließendem Wasser, Luft, Licht, Skulpturen und schönem Marmor, zumindest für die Angehörigen führender Stände. Die Doktrin von Antiphanes, alle seien gleich, wenn sie aufs Klo gehen, gilt von nun an nicht mehr.

Vom Stuhlgang zum Heiligen Stuhl. Auch die Kirche inszeniert ihre Macht in Form von Pracht und Luxus. Gerade in luxuriöser Umgebung behaupten die Kirchenfürsten, ein Ideal der Mäßigung und Bescheidenheit gefunden zu haben. Der Vatikan ist das Paradebeispiel würdevoll inszenierter Absurdität. Über die Geschichte aus den römischen Anfängen bis hin ins heutige Innenleben führt das Werk „Der Vatikan“, eine Beschreibung des Kirchenstaates und seiner Kunstschätze. Trotz des Bemühens der Autoren um ein differenziertes Bild scheint der Islam dann doch noch als gewaltvolle Antithese auftauchen zu müssen. Die Blutspuren an den vatikanischen Reichtümern werden so jedenfalls etwas unsichtbarer.

Und wo verbirgt sich Luxus heute? Was könnte in der Moderne besser als ein Urinoir von Marcel Duchamp verbergen, wie viel es wert ist und wo Geld und Macht liegen? Oder sind es etwa die ausgeleierten, hässlichen T-Shirts mit Strassbesatz, die Modeschöpfer Harald Glööckler im TV-Teleshop, einem Ramschkanal, als „Designer- und Luxusgarderobe“ für „nur“ 39,90 Euro anpreist? Es ist vermutlich der feste Glaube an die große Freiheit grenzenloser Selbstverwirklichung und Individualität, die solch Peingestalten dazu führt, sowohl im Garten des Jüdischen Museums ihre „Pompöös“-Modenschau zu veranstalten als auch anderntags im Interview der Jungen Freiheit über grenzenlose Selbstverwirklichung zu quaken. Anything goes. Das ist moderner Luxus. WOLFGANG MÜLLER

Karl-Wilhelm Weeber: „Luxus im alten Rom“. Primus Verlag, Darmstadt 2006, 184 S., 106 Abb., 39,90 Euro Georg Denzler, Clemens Jöckle: „Der Vatikan“. Primus Verlag, Darmstadt 2007, 192 S., 200 Abb., 39,90 Euro