Komplizierter Paartanz zweier Städte

Die Partnerschaft zwischen Kreuzberg und Stettin ist nicht konfliktfrei: In der polnischen Stadt fehlt ein Ansprechpartner, in beiden Orten bisweilen die Unterstützung. Trotzdem feiert der Verein „Städtepartner Stettin“ heute sein zehnjähriges Jubiläum

Angeblich geht die Partnerschaft auf eine Liebesgeschichte zurück

VON CHRISTINA HEBEL

„Hallo“ auf Polnisch ist für viele Nichtpolen ein kaum aussprechbares Wort. „Tscheschtsch“ – Mehmet Subasi schafft es und grinst. Dann enden seine Polnischkenntnisse aber auch schon. „Ich habe mich trotzdem gut mit den polnischen Jugendlichen verstanden, mit Händen und Füßen, und wenn’s gar nicht mehr ging, eben mit Übersetzerin“, sagt der 16-Jährige.

Mehmet Subasi war Mitte April mit drei Jugendlichen und zwei Mitarbeitern des Kreuzberger Kinder- und Jugendtreffs „Drehpunkt“ in Stettin. Zusammen brachten sie den Mädchen und Jungen im sozial schwachen Stadtteil Skolwin Breakdance und Airbrush bei.

Kreuzberg hat seit fast elf Jahren einen Kooperationsvertrag mit der 420.000-Einwohner-Stadt Stettin. Städtepartnerschaftsvertrag heißt er. Dabei sind es ein Bezirk und eine Stadt, die hier zusammenarbeiten. Den Anstoß zu dem ungewöhnliche Kontrakt gab – so wird jedenfalls erzählt – Anfang der 90er-Jahre eine Liebesbeziehung zwischen einem deutschen Architekten aus Kreuzberg und einer polnischen Stadtplanerin aus Stettin. Wer das war, weiß heute allerdings niemand mehr.

Mit Leben füllt den Vertrag seit zehn Jahren der ehrenamtlich arbeitende Verein Städtepartner Stettin, der vom damaligen Bezirksbürgermeister und späteren Senator Peter Strieder (SPD) initiiert wurde. Heute Abend feiert der Verein im Stettiner Theater Kana sein Jubiläum mit 70 deutschen und polnischen Gästen, u. a. dem Kreuzberger Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) und Stettins Stadtpräsident Piotr Krzystek von der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO). Krzystek betont immer wieder – anders als seine Vorgänger – die Bedeutung Berlins für seine Stadt.

Ein gutes Zeichen für den Vorsitzenden des Städtepartner-Vereins, Wolfgang Hahn, der zum Jubiläum genau nachgezählt hat: 41 Mitglieder hat seine Initiative, 4.500 Euro bekommt sie vom Bezirk jährlich für ihre Arbeit. Ein „kleines Budget“, wie Hahn sagt. Trotzdem habe der Verein 110 Veranstaltungen und Begegnungen von Kreuzbergern und Stettinern initiiert und zum Teil auch organisiert, darunter Volleyballturniere, Konzerte, Jugendbegegnungen, Hofbegrünungen in einem sozial schwachen Bezirk Stettins und Seniorenfahrten.

„Wir arbeiten natürlich mit Partnern. Ansonsten würden wir das gar nicht schaffen. Bis jetzt läuft es – toi, toi, toi! – sehr gut“, sagt Hahn und verweist zum Beispiel auf die Kooperation mit dem „Drehpunkt“. Die Anzahl der Projekte sei in den vergangenen Jahren gestiegen, auch wenn Polen als Thema nach wie vor „kein Selbstläufer“ sei, wie Hahn zugibt – obwohl Stettin nur 120 Kilometer von Berlin entfernt ist.

Witold Kaminski vom Polnischen Sozialrat sagt es direkter: „Nicaragua und Nepal liegen für die Berliner näher als Stettin.“ Er hat selbst Graffitiprojekte organisiert und dabei die „praktische Unterstützung“ von Ämtern und Menschen vermisst. „Ich habe die Lust, die Energie und das Engagement verloren. Umso mehr bewundere ich Menschen wie Christine Ziegler, die sehr viel Arbeit investieren.“

Ziegler, die Kassenwartin des Vereins, sagt selbstkritisch, dass in den vergangenen zehn Jahren „viel Energie verpufft ist – hier und auf polnischer Seite“. Neben der „Ungleichzeitigkeit der Erwartungen“ sei es oft schwierig, Projekte umzusetzen, da der Initiative ein fester Ansprechpartner in der Stettiner Stadtverwaltung fehle, der Kontakte vermitteln könne.

„Es ist natürlich schwierig, als NGO in Polen ernst genommen zu werden“, sagt die Gründungsvorsitzende Christiane Reuter. Lange Zeit hätten die Politiker Stettins lieber Berlin als „ganze Stadt“ und nicht nur Kreuzberg als Partner sehen wollen, weil sie vor allem an der Wirtschaftsförderung interessiert waren. Trotzdem bezeichnet sie die Vereinsarbeit als „erfolgreich“.

Der 16-jährige Mehmet hofft nun, dass der Austausch mit den Stettiner Jugendlichen weitergeht: „Die Workshops waren nur ein erster Einstieg, wir wollen unbedingt weitermachen.“