BERLINER PLATTE
: Erfolg, der nicht überrascht: 5 Jahre „Get Physical“ wird mit einer Doppel-CD gefeiert

Es ist eine ziemlich spektakuläre Erfolgsgeschichte, die fünf Jahre Get Physical, die das Berliner House-Label nun mit einer großen Tour und einer Doppel-CD feiert. Nicht dass sie einen übermäßig wundern würde: Wenn sich sechs Musiker, DJs und alte House-Recken zusammentun und eine Plattenfirma gründen, kann man wohl davon ausgehen, dass sie wissen, was sie tun. Thomas Koch, der damalige Herausgeber des Dance-Magazins Groove, Philipp Jung und Patrick Bodmer, auch bekannt als das DJ-Team M.A.N.D.Y, Arno Kammermeier und Walter Merziger, das Produzentenduo Booka Shade und Peter Hayo gründeten Get Physical im Jahre 2002. Und wie deutlich sie den Sound geprägt haben, für den das Berliner Nachtleben im Rest der Welt (und hier natürlich auch) geliebt wird, das überrascht dann doch.

Electrohouse nannte man diesen Klang bis vor nicht allzu langer Zeit. Ein schöner Begriff und wie die meisten Genrebezeichnungen gleichzeitig treffend und doch unterkomplex. Treffend, weil er genau die Mischung reduzierter Electrosounds auf der Basis eines Houserhythmus beschreibt, der nahezu allen Get-Physical-Produktionen eigen ist. Treffend auch, weil Merziger und Kammermeier für fast alle Produktionen verantwortlich waren und sie zwar mit Künstlern einen speziellen Klangentwurf entwickelten – die retrogesättigten Tracks von DJ T., ihre eigenen soundtrackartigen Großgefühlshouse-Epen für Booka Shade, die Dancefloormuttern, die M.A.N.D.Y. zum Verschrauben anbieten –, alles aber nur Variation ebenjener Idee waren. Mehrere Hände voll wunderbarer Tracks sind so entstanden – und mit „Memento“ eines der schönsten House-Alben.

Nun überleben sich Klangentwürfe in der Dance Music noch um einiges schneller als in der restlichen Popmusik – die meisten Dance-Labels haben nach zwei oder spätestens drei Jahren das immer gleiche Problem: Wie erneuert man sie, ohne an Profil zu verlieren? Get Physical machen da keine Ausnahme. Der Electrohouse-Sound ist einigermaßen ausdefiniert. Was tun?

Auf „5 Years Get Physical“ kann man es beobachten. Zum einen: Flagge zeigen. Für die eine CD („The Remixes“) hat sich das Label seine gesammelten Hits remixen lassen. Von einer ziemlich beeindruckenden Gruppe von Künstlern: Da finden sich nicht nur offensichtliche Entscheidungen wie die, das wunderbare Booka Shade-Stück „Vertigo“ von dem Berliner House-Produzenten Henrik Schwarz überarbeiten zu lassen oder Senor Coconut den Überhit „Body Language“ zu übergeben. Aber wer wäre darauf gekommen Chelonis Jones „I Don’t Know“ von Mathew Herbert remixen zu lassen? Oder eine Streicherversion des großartigen „Night Falls“ bei dem legendären Larry Gold in Auftrag zu geben, der in den Siebzigern schon für den Disco-Sound von Philadelphie die Strings arrangierte? Zum anderen: sich auf den Instinkt verlassen. Für die andere CD („The Exclusives“) haben Booka Shade etwa Laurie Anderson „Oh Superman“ gecovert. Das ist gleichzeitig elegant historisch gedacht und doch vollkommen im Hier und Jetzt. So kann man weiter machen. TOBIAS RAPP

„5 Years Get Physical“, Get Physical (rough trade); 5 Jahre Get Physical, 2. Juni, 24 Uhr, Watergate