Das Tribunal spaltet

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

Mehr als zwei Jahre ist es her, dass der libanesische Ministerpräsident Rafik Hariri in Beirut einem Bombenanschlag zum Opfer gefallen war. Seitdem ist der Libanon politisch zutiefst gespalten und konnte sich nicht auf eine Vorgehensweise und Gerichtsbarkeit in dem Fall einigen. Nun hat der UN-Sicherheitsrat beschlossen, ein internationales Tribunal zur Aufklärung der Tat einzurichten.

Mit zehn Stimmen und fünf Enthaltungen hatte der Rat am Mittwochabend für die Resolution gestimmt, die am 10. Juni in Kraft treten soll, sollten sich die Libanesen bis dahin nicht auf ein eigenes Tribunal einigen. Die Resolution beruft sich auf Kapitel VII der UN-Charta. Es erlaubt notfalls auch den Einsatz von Gewalt. Russland, China und die drei nicht ständigen Mitglieder des Rates, Südafrika, Katar und Indonesien, hatten den Bezug auf Kapitel VII als Verletzung des Völkerrechts abgelehnt und sich enthalten.

Wie kontrovers der Beschuss auch unter den Sicherheitsratsmitgliedern diskutiert wurde, zeigten die anschließenden Kommentare. „Diese Resolution zeigt, wie sehr wir dem Prinzip verpflichtet sind, laut dem kein politischer Mord, im Libanon oder anderswo, ungestraft bleiben darf“, erklärte der US-Botschafter bei der UN, Zalmay Khalizad. Sein russischer Kollege Witali Churkin warnte dagegen, dass der „Eingriff in Libanons Souveränität in der tief gespaltenen libanesischen Gesellschaft zu negativen Konsequenzen führen kann“.

Auch im Libanon selbst stieß die Resolution erwartungsgemäß auf sehr unterschiedliche Reaktionen auf Seiten der vom Westen unterstützten Regierung des Ministerpräsidenten Fuad Siniora und dem von Hisbollah angeführten Oppositionsbündnis. Das Tribunal werde dafür sorgen, dass endlich die Wahrheit über das Attentat ans Licht komme, erklärte Siniora unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Entscheidung in New York, als seine jubelnden Anhänger Feuerwerkskörper in den Himmel über Beirut schossen. Als einen „Sieg für den Libanon“ bezeichnete Saad Hariri, der Sohn des ermordeten Ministerpräsidenten und Chef des Regierungsblocks, im Parlament die Resolution.

Die UN hätten mit dieser Entscheidung die Verfassung des Libanons ignoriert, sagte dagegen der oppositionsnahe Parlamentssprecher Nabih Berry am Donnerstag. Er hatte sich in den letzten Monaten geweigert, das Parlament in der Tribunalfrage abstimmen zu lassen. Eine Zustimmung der Abgeordnetenkammer in Beirut wäre die Voraussetzung gewesen, ein vom Libanon abgesegnetes Tribunal ins Leben zu rufen. „Wir werden dieses Tribunal niemals anerkennen, weder direkt noch indirekt“, erklärte auch der Oppositionsabgeordnete Ali Hassan Khalil gegenüber dem arabischen Fernsehsender al-Dschasira. „Das Wichtigste für ein Tribunal sind die Angeklagten, wo sind die eigentlich?“, fragt der christliche Oppositionspolitiker Michel Aoun.

Eine UN-Untersuchungskommission hat zwar Syrien aufgrund dessen einstigen Einflusses im Libanon indirekt der Mittäterschaft bezichtigt, allerdings dafür bisher keine handfesten Beweise geliefert. Vier prosyrische ehemalige libanesische Polizeigeneräle befinden sich nun seit über einem Jahr ohne Prozess in Haft. Die syrische Regierung selbst hat bisher jede Verwicklung abgestritten. Der syrische UN-Botschafter Baschar Jaafari erklärte gestern: „Diese Resolution ist definitiv gegen das Interesse der Libanesen gerichtet.“