Krankenkasse: Zu viele Antibiotika-Rezepte

GESUNDHEIT Laut einer DAK-Studie verschreiben Ärzte das Medikament in bis zu 30 Prozent der Fälle zu leichtfertig. Experten warnen vor den Folgen: Bei Tausenden Patienten schlage das Mittel nicht mehr an

BERLIN taz | Noch immer ist es in deutschen Arztpraxen alltäglich, Antibiotika ohne nachvollziehbare Indikation zu verschreiben. Das behauptet zumindest eine Studie der Krankenkasse DAK, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Die Quote fragwürdiger Verordnungen beträgt demnach fast 30 Prozent. Der Bremer Gesundheitsökonom Gerd Glaeske attestierte einem großen Teil der niedergelassenen Ärzte bei dieser Frage einen Hang zur Bequemlichkeit.

Obwohl jeder Mediziner wisse, dass Antibiotika bei virusbedingten Erkrankungen der oberen Atemwege keinerlei therapeutische Wirkung hätten, werde dem Wunsch vieler Patienten nach einem entsprechenden Rezept nachgegeben; wohl auch, um den Zeitaufwand für ein aufklärendes Gespräch zu sparen. Viele Ärzte hätten ihm im Rahmen der Untersuchungen für die Studie erklärt, dass die Verschreibung von Antibiotika besonders auf Eltern von Kindern mit ausgeprägten Erkältungssymptomen eine „beruhigende Wirkung“ habe.

Die Folgen sind fatal. Der regelmäßige Konsum von Antibiotika fördert die Bildung multiresistenter Keime, die sich besonders in Krankenhäusern schnell verbreiten können. Gesundheitsforscher gehen davon aus, dass pro Jahr mindestens 15.000 Patienten in deutschen Kliniken sterben, weil bei ihnen Antibiotika-Behandlungen nicht mehr anschlagen.

Frank Kipp, leitender Krankenhaushygieniker am Universitätsklinikum Münster, verwies allerdings auch auf die Defizite der Einrichtungen. Es mangele an ausgebildeten Fachkräften, um die an sich positiven Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes umsetzen zu können. Das werde sich auch nicht ändern, solange es kaum Lehrstühle für Krankenhaushygiene gebe. Ferner fehlten in vielen Kliniken Desinfektionsmöglichkeiten fürs Personal. RAINER BALCEROWIAK