„Wir rechnen mit Preisen über 30 Euro“

Ab dem kommenden Jahr wird Luftverschmutzung mehr kosten, sagt der Investment-Banker Ingo Ramming

INGO RAMMING ist Marktanalyst bei der Investmentbank Dresdner Kleinwort Wasserstein, einer Tochter des Münchener Allianz-Konzerns, mit Sitz in London. Dort leitet er als Executive Director den Emissionshandel. Zuvor arbeitete er als Wirtschaftsjournalist und als Manager beim Energiekonzern Enron.

taz: Herr Ramming, Luftverschmutzung ist derzeit sehr billig. Der Preis für die aktuellen Verschmutzungszertifikate ist im Keller und sinkt täglich weiter. Interessiert sich überhaupt noch irgend jemand für die Papiere der ersten Phase?

Ingo Ramming: Kaum. Natürlich gibt es immer ein paar Spekulanten, aber wirklich relevant für die Unternehmen – und damit auch für uns – sind nur noch die Zertifikate der zweiten Handelsperiode.

Wer Zertifikate für 2008 besitzt, konnte sich in den vergangenen Monaten über steigende Kurse freuen. Was sind die Ursachen für diese Entwicklung?

Dahinter steht zum einen das Vertrauen des Marktes in die Zuteilungspläne der EU. Die Akteure gehen davon aus, dass die EU es tatsächlich ernst meint. Hinzu kommt noch eine markttechnische Entwicklung: Viele Käufer, wie etwa Stromversorger, decken sich aktuell mit den notwendigen Papieren für 2008 ein, die Verkäufer aber sind noch nicht so sehr aktiv. Das treibt den Kurs.

Der liegt aktuell bei rund 23 Euro pro Tonne Kohlendioxid – also knapp hundertmal höher als der Preis für die Zertifikate der ersten Handelsperiode. Ist das nicht ein wenig übertrieben?

Wir erwarten einen durchschnittlichen Preis von 19,50 Euro je Tonne in den Jahren 2008 bis 2012. Wir gehen dabei davon aus, dass die Preise am Emissionsmarkt weiterhin stark schwanken werden. Dresdner Kleinwort rechnet mit Tiefswerten um 10 Euro und Spitzen über 30 Euro. Entsprechend wichtig bleibt also ein effizientes Risikomanagement bei den einzelnen Unternehmen.

Der Emissionshandel ist ein von der Politik initiierter Markt. Ist der aktuelle Marktpreis auch von der Politik getrieben?

Das Vertrauen in die Klimaschutzbemühungen der EU ist bereits eingepreist. Müsste dieses eines Tages in Frage gestellt werden, würden die Kurse einbrechen. Profitieren würde der Markt hingegen, wenn nicht nur von der EU, sondern auch von den USA eindeutige Bekenntnisse zum Klimaschutz kämen. Aber damit ist aktuell nicht zu rechnen, und so wird auch der G-8-Gipfel kaum neue Preissignale geben.

Wenn nicht die Politik – was beeinflusst dann die Zertifikatepreise?

Im Wesentlichen vier Faktoren: erstens das europäische Wirtschaftswachstum, weil davon der Energieverbrauch abhängt. Zweitens das Wetter, weil es über den Energieverbrauch einerseits und über die Erzeugung von Strom aus Wasserkraft und Wind andererseits entscheidet. Drittens das Angebot an Zertifikaten aus internationalen Klimaschutzprojekten, die mittels Clean Development Mechanism und Joint Implementation in unser Handelssystem einfließen. Und viertens die Relation der fossilen Energiepreise zueinander. Wenn zum Beispiel Kohle im Vergleich zu Erdgas billiger wird, erzeugt das Nachfrage nach Zertifikaten. Denn bei der Kohleverbrennung entsteht mehr CO2.

Im Emissionshandel nach dem Kioto-Protokoll gibt es zwei Handelsperioden. Die erste läuft noch bis Jahresende, die zweite von 2008 bis 2012. Da die EU in der ersten Handelsphase zu viele Emissionsrechte ausgegeben hat, tendiert der Preis dafür inzwischen gegen null. In der zweiten Handelsperiode sollen weniger Zertifikate ausgegeben und zum Teil auch versteigert werden. Dadurch steigen die Preise. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, wird die taz in der obenstehenden Grafik ab heute den Preis für die zweite Handelsperiode angeben. taz

Die Wirtschaft, so scheint es, hat sich mit dem neuen Instrument arrangiert: Der tägliche Blick auf die CO 2 -Preise ist in vielen Unternehmen heute so selbstverständlich wie der Blick auf die Energie- oder Aktienpreise. Alles bestens also im Emissionshandel?

Wir sind grundsätzlich sehr zufrieden mit der Entwicklung im Emissionshandel. Entscheidend für den langfristigen Erfolg des Emissionshandels sind Vertrauen in die Rahmenbedingungen und langfristige Planbarkeit. Das größte Problem ist nämlich momentan die Unsicherheit, da der Emissionshandel bislang nur bis zum Jahr 2012 festgeschrieben ist. Doch wer investieren will – zum Beispiel in neue Kraftwerke –, hat längere Investmenthorizonte.

INTERVIEW: B. JANZING