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Wenn die Miete den Lohn frisst

Wohnen wird immer teurer, gerade in den Großstädten, sagt der Mietertag. Das Nachsehen haben Menschen, die über wenig Einkommen verfügen. Sozialwohnungen werden seltener. Der Mietertag fordert, Zuschüsse für Geringverdiener zu erhöhen

AUS MÜNCHEN MAX HÄGLER

Es ist der Traum vieler begeisterter Neumünchner: „Eine moderne Dachterrassen-Galerie-Wohnung im Loftstil in kernsaniertem, denkmalgeschütztem Altbau“ wird dem geneigten Mieter im einschlägigen Webportal Immoscout24 angeboten. Für 1.990 Euro Kaltmiete gibt’s 105 Quadratmeter, Gästeklo und Eichenparkett inklusive. Die Lage: München-Haidhausen. Vor 150 Jahren war dies das Viertel der Gerber und Textilhändler und Quartier der Arbeiter, in den 80ern Münchens grün-alternative Gegend. Jetzt ist es ein jetzt hippes Wohnviertel für die Juppies.

20 Euro pro Quadratmeter und Monat sind zwar auch für München ein Extrem, aber generell gilt: Nach mehreren Jahren, in den sie relativ gleich blieben, steigen die Mieten in Deutschland wieder. Das ist eine der Botschaften des diesjährigen Mietertages, der bis heute in Stuttgart tagt.

Zwar schienen die Mieten in Deutschland auf den ersten Blick recht stabil, so die langjährige Mieterbund-Präsidentin Anke Fuchs. „In Großstädten und Ballungszentren liegen die Mieten jedoch teilweise 15, 20 oder gar 30 Prozent über dem Bundesdurchschnitt.“ Hauptursache seien die explodierenden Energiekosten. So seien in den letzten beiden Jahren die Preise für Öl um bis zu 32 Prozent gestiegen. Aber auch „aufgeblähte Kostenapparate und undurchsichtige Anbieterstrukturen, zum Beispiel bei Energieunternehmen, Wasserversorgern, Abrechnungsfirmen oder Aufzugsunternehmen“ treiben die Betriebskosten nach Meinung von Fuchs in die Höhe. Erst jüngst vermeldete der Münchner Haus- und Grundbesitzer-Verein steigende Mieten. 2009 soll der Quadratmeter Neubauwohnung durchschnittlich 13,50 Euro kosten – ein Plus von 20 bis 30 Prozent im Vergleich zu diesem Jahr. Ein Grund ist der Wirtschaftsaufschwung. „Die Leute trauen sich wieder mehr und gönnen sich mehr Wohnfläche“, so die Einschätzung der Immobilienbesitzer an der Isar. Das Nachsehen haben dabei die Mieter mit einem normalen oder schmalen Geldbeutel. Denn in München genauso wie im restlichen Bundesgebiet gibt es immer weniger Sozialmietwohnungen. 1980 gab es in der Landeshauptstadt noch 123.000, 2006 waren es nur noch 52.000 – bei steigenden Einwohnerzahlen. „Bundesweit schätzen wir, dass es noch knapp 1,7 Millionen Sozialwohnungen gibt“, rechnete Mieterbund-Präsidentin Fuchs vor. Jährlich fallen 100.000 Sozialwohnungen durch Umwidmungen oder Abriss weg, neu gebaut oder ausgewiesen werden aber nur 20.000 bis 30.000.

Der Mieterbund – Hauptlobbygruppe der rund 50 Millionen Mieter in Deutschland – forderte in Stuttgart auch eine deutliche Anhebung des Wohngelds. Diese Fördermaßnahme unterstützt Mieter, die einkommensschwach sind, aber nicht unter der ALG-II-Grenze liegen. Diese Menschen überweisen teilweise die Hälfte ihres Monatseinkommens an ihre Vermieter. Nach Ansicht des Mieterbundes sollten sie 15 Prozent mehr Wohngeld erhalten.

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