Ehrenrunde für Unehrenhafte

Jedem Kirchturm sein Kirmesrennen: Allem Doping-Ärger zum Trotz wollen die Radsportveranstalter aus Nordrhein-Westfalen an ihren Profi-Wettkämpfen im Sommer festhalten. Nur Hamm steigt aus

„Der Sieg ist ohnehin abgesprochen. Die Leute kommen, um Bier zu trinken.“

VON KLAUS JANSEN

Die sportliche Rückkehr in seine Heimatstadt Unna könnte Erik Zabel einen neuartigen Duathlon abverlangen. Zum Beispiel: Erst eine Stunde auf dem Podium über Doping diskutieren, dann zwei Stunden Wettrennen bei der Unnaer Radnacht. „Ich kann mir gut vorstellen, dass der Erik das machen würde“, sagt Veranstalter Horst Bresan. Die Zusage von anderen Diskutanten sei da weniger sicher. Für den Radsport ist das im Moment noch das geringste Problem.

Die Radnacht in Unna ist eines von zahlreichen Profirennen in Nordrhein-Westfalen, bei denen sich verdiente Veteranen im Anschluss an die Tour de France für ihre in den Alpen und Pyrenäen erlittenen Strapazen feiern lassen können. Gutes Geld gibt es dafür, und die Siegerlisten überraschen meist wenig: In Unna siegte im vergangenen Jahr Lokalheld Zabel vor Jens Voigt und Alessandro Petacchi.

Ob der reuige Doping-Sünder Zabel in diesem Jahr wieder starten darf, war lange offen: „Der lokale Radsportklub hatte Zweifel, aber am Ende sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass er es verdient hat, sich noch einmal in seiner Heimat zu präsentieren“, sagt Veranstalter Bresan. „Wir glauben ihm, dass er sauber ist.“ Erst danach räumt er ein, dass auch die Sparkasse Unna als Hauptsponsor und Zabels Team Milram bei der Zusammensetzung des Starterfelds ein wenig nachgeholfen haben. Die Idee mit der Podiumsdiskussion war dann eine Art Kompromiss um das Rennen zu retten – und doch nicht als Ignoranten in Sachen Doping dazustehen.

Ähnlich wie die Kollegen in Unna wollen sich die meisten Rennveranstalter im Land die gute Laune und die schönen Einnahmen nicht von ein paar Dopingfällen kaputtmachen lassen. „Wir werden auch in diesem Jahr wieder ein hochkarätiges Feld haben“, sagt ein Sprecher der Sparkasse Bochum, die der Ruhrgebietsstadt seit Jahren einen vielbesuchten Giro spendet.

Nur ein einziger Veranstalter will nicht mehr mitspielen: Die „Hammer-City-Night“ wird in diesem Jahr ausfallen. Bereits einen Tag nach der Doping-Beichte der T-Mobile-Stars Zabel und Rolf Aldag sprangen die Organisatoren ab. „Wir wollten ein Zeichen gegen Doping setzen“, sagt Michael Erkeling vom Radrennclub Hamm. Aus ganz Deutschland hätten ihn nach der Entscheidung zustimmende E-Mails erreicht. „Die Bevölkerung in Hamm wollte in diesem Jahr kein Rennen mehr“, sagt er. „Man weiß ja doch nicht, wer sauber ist.“ Das von den Sponsoren eingesammelte Geld für das Profirennen soll nun in die Jugendförderung gesteckt werden.

In der Szene wird die Absage nicht wirklich begeistert aufgenommen. Hamm hätte ohnehin Probleme gehabt, ein vernünftiges Starterfeld zusammen zu stellen, heißt es bei der Konkurrenz. Alles Quatsch, sagt Erkeling: „Wir hatten die Zusagen von Jens Voigt und Robert Förster von Gerolsteiner. Die Veranstaltung wäre gelaufen.“ Als Nestbeschmutzer sieht er sich nicht.

Die meisten Radsport-Förderer in NRW teilen die Erkenntnis aus Hamm jedoch noch lange nicht. Am Rhein soll die Tour de Neuss ebenso von Profis bestritten werden wie die Rheder City-Nacht im Münsterland, die traditionell am ersten Freitag nach der Tour de France gestartet wird. „Warum sollten wir nicht fahren?“, fragt der Chef des Radsportvereins Rhede, Helmut Wieling. Wieling war früher selbst als Mechaniker und Betreuer mit Profis unterwegs: „Ich habe genug gesehen, als dass ich mir noch etwas vormache.“

Weil aber Doping „sowieso in allen Sportarten“ dazugehöre, solle die Öffentlichkeit nicht so sehr auf den Radsport einprügeln – und schon gar nicht auf die Kirmesrennen nach der Tour. „Bei diesen Rennen ist der Sieg ohnehin abgesprochen“, sagt er. Den Zuschauern sei das genauso egal wie Doping: „Die kommen, weil sie ein Bier trinken wollen.“