kurzkritik: „untertagblues“ im Thalia Gaußstraße
: Böser wilder Mann

Über den Schein bloßer Dekoration hinaus wirkt diese Kulisse: Auf einem unterirdischen Metro-Bahnsteig steht die Zuschauertribüne und man sucht sich einen freien Platz. Gegenüber, auf einer Bank an der gewölbten Wand des U-Bahnschachts, da sitzt bereits ein Fahrgast, ein fettleibiger, rotbärtiger Mann, mit Rucksack und Koffern und schaufelt Chips in sich hinein. Er spielt das „Du“ in dieser Inszenierung von Peter Handkes „Untertagblues“. Und er teilt sich die Rolle des dekadenten „Du“ mit dem unter Tage versammelten Auditorium. Auditorium?

Ja, denn der Theaterabend entfaltet sich erst durch die Stimmbänder von Markwart Müller-Elmau, der Handkes Figur des „wilden Mannes“ spielt und den Monolog bravourös rezitiert.

Es ist eine fluchende Schmährede gegen alle und jeden, gegen die „Wegelagerer“, die die Wege des „wilden Mannes“ auf der Straße und in der U-Bahn immerzu „durchkreuzen“. „Ohne eine spezielle Übeltat seid ihr das Übel der Übel“ – und sein Finger zeigt ins Publikum und auf den fettleibigen Mann, der den modernen Menschen widerspiegelt.

Das Scheitern steht am Ende dieser fesselnden Untergrundodyssee. Aus dem Leib des dicken Mannes schlüpft eine Frau, die dem Übelnehmenden das Urteil spricht: „Du Monolog du, du Allerhässlichster, der du alles verhässlichst?“ Und das Publikum unter Tage scheint dafür Verständnis zu haben.

MART-JAN KNOCHE

nächste Aufführungen: 17.6. und 20.6., jeweils um 20 Uhr