: Heute mal die Schale
Mit einem 34 : 28-Sieg gegen Nordhorn wird der THW Kiel Meister der Handball-Bundesliga. Es ist der dritte Titel der Kieler in dieser Saison nach dem Gewinn der Champions-League und des DHB-Pokals
von CHRISTIAN GÖRTZEN
Vor einem Jahr war alles viel entspannter für Hein Daddel. Damals hatte das 2,10 Meter große Zebra-Maskottchen des THW Kiel noch nicht solch einen Stress bei der Arbeit. Nach der letzten Schlusssirene der Saison stand Hein auf dem Spielfeld der Ostseehalle und wartete mit ausgebreiteten Armen darauf, dass die Meisterschale von der Hallendecke abgeseilt wurde. Hein machte alles richtig. Er nahm die Schale, damit sie an THW-Kapitän Stefan Lövgren weitergereicht werden konnte. Alles ganz easy.
Auch am vergangenen Sonnabend, nach dem 34 : 28-Heimsieg gegen die HSG Nordhorn, welcher den Gewinn der 13. Meisterschaft bedeutete, hing bei der Zeremonie alles von Hein Daddel ab. Nachdem die Fanfarenklänge majestätisch verklungen waren erstrahlte das zweibeinige Zebra auf der Feuerleiter knapp unterhalb des Hallendachs plötzlich im Scheinwerferlicht. Es hielt etwas Glänzendes in seinen Händen. „Hein!“, rief der Hallensprecher in sein Mikrofon, „Hein, das ist nicht die Schale! Das ist der DHB-Pokal. Wir brauchen die Schale.“ Er schickte noch ein „Mann!, Mann!, Mann!“ hinterher.
Nach einer Welle mit den Zuschauern stand Hein Daddel auf der gegenüberliegenden Seite in einem Lichtkegel erneut auf einer Feuerleiter. Es funkelte wieder etwas in seinen Händen, dieses Mal die Champions-League-Trophäe. Das Spiel wiederholte sich. „Hein, das ist nicht die Schale. Wir wollen die Schale sehen“, rief der Sprecher ins Mikrofon. Um 16.32 Uhr spazierte das Zebra schließlich durch das große Spielertor mit der Meisterschale in den Händen auf das Spielfeld hinaus.
Wenig später reckte Stefan Lövgren in dieser Saison die dritte Trophäe in die Höhe. Das Werk war vollbracht – der THW Kiel hatte das Triple gewonnen. Nach dem Gewinn des DHB-Pokals und dem Sieg in der Champions-League folgte der Gewinn der Meisterschaft. Kiel ist damit alleiniger Rekordmeister. Bis Sonnabend hatten sich die Schleswig-Holsteiner diese Ehre noch mit dem VfL Gummersbach geteilt. Und dem THW gelang ein Novum: Seit Einführung der Champions-League war noch keiner deutschen Mannschaft das Triple gelungen. Dabei mussten die Kieler wochenlang wegen einer Verletztenmisere mit acht Feldspielern auskommen.
Der Gewinn des Titels Nummer drei war ein weitaus schwierigeres Stück Arbeit, als es der deutliche 34 : 28-Sieg auszusagen scheint. In der ersten Halbzeit war den Gastgebern der Erfolgsdruck anzumerken. Zur Pause stand es nur 14 : 14. Der HSV Hamburg war zu dem Zeitpunkt Meister. Die Hanseaten führten mit 21 : 18 bei Frisch Auf Göppingen.
Hamburg musste gewinnen und darauf hoffen, dass Kiel Selbiges nicht gelang. Wegen des deutlich schlechteren Torverhältnisses war der HSV auf fremde Hilfe angewiesen. Nach der Hälfte der Spielzeit sah es nicht gut aus für den THW Kiel.
Doch mit einer Energieleistung in der zweiten Halbzeit, an der vor allem Torhüter Thierry Omeyer und Kim Andersson (neun Tore) ihren Anteil besaßen, gelang dem THW doch noch recht ungefährdet der Triumph. Der HSV siegte mit 36 : 32. „Viermal Gold in einem halben Jahr – das kann ich noch gar nicht begreifen“, sagte Dominik Klein. Der THW-Linksaußen war genauso wie seine Mitspieler Henning Fritz und Christian Zeitz mit der Nationalmannschaft im Januar auch schon Weltmeister geworden. Kiel feierte stilecht.
Nachdem verdiente Kräfte wie Torhüter Henning Fritz (geht zur SG Kronau-Östringen) verabschiedet worden waren, wurden die in Königsmäntel gehüllten Spieler in Cabrios zum Rathausplatz chauffiert. Dort warteten 15.000 Fans. Auch dieses Mal mussten sie wieder auf Noka Serdarušić verzichten. Der Erfolgscoach mag den Trubel nicht. Er genießt die Erfolge lieber in aller Stille. Am liebsten beim Angeln.
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