: Gipfeltreffen der Alpha-Sammler
ÄHNLICHKEITEN Die Sammler Thomas Olbricht und Harald Falckenberg machen die Hamburger Deichtorhallen für zwei Monate zu einer Top-Adresse aktueller Kunst – der Rundgang ist ein Vergnügen
Tanya hat einen schweren Fehler gemacht. Schwarzgekleidet und auf hochhackigen Schuhen steht die Galerieassistentin gramgebeugt an der beschädigten Transportkiste. Kunst ist eben eine komplizierte Ware. Nicht nur ist sie schwer zu deuten, sie ist auch nur aufwendig herbeizuschaffen. Und dann passiert so ein Fehler, und flugs wird es neue Kunst.
Denn die beschädigte Kiste samt lebensechter Puppe ist eine Inszenierung vom skandinavischen Künstlerpaar Elmgreen und Dragset – ebenso wie der Tresor mit der Aufschrift: „The Private Museum“. Solche Künstlerkommentare zum Kunstbetrieb müssen geradezu sein, wenn eine Sommerkunstausstellung aus zwei großen deutschen Privatsammlungen zusammengestellt wird.
Die Deichtorhallen konnten sich für ihr in Themenräume gegliedertes Museum auf Zeit bei Thomas Olbricht und Harald Falckenberg rund 200 Werke aussuchen: Arzt, Aufsichtsratsvorsitzender und Professor in Essen der eine, Jurist, Geschäftsführer, Richter und Professor in Hamburg der andere.
Beide Sammler haben inzwischen weit über zweitausend Arbeiten angesammelt und beide haben ihren Schätzen feste Häuser errichtet: Olbricht betreibt in der Berliner Auguststraße den etwas protzigen „me Collectors Room“, und das erstklassig umgebaute Gebäude der Sammlung Falckenberg im Harburger Phoenix-Areal wird seit diesem Jahr als Zweigstelle der Deichtorhallen geführt.
Der Kurator, Deichtorhallen-Intendant Dirk Luckow, hat die zwei Sammlungen durchmischt und die Arbeiten zu zwölf einzelnen Themen gruppiert. Manchen Kennern mag die jeweilige Zusammenstellung von clownhaft Buntem oder schlicht grauen Bildern, von Nacktem oder Heldenhaftem zu vordergründig sein. Doch sie ist eine gute Möglichkeit, sich die Vielfalt mit der Hilfe von Ähnlichkeiten zu erschließen.
Gerade bei den formal ähnlichen Arbeiten bringt es schon Spaß, immer mal wieder auf die Schildchen zu gucken und sich zu vergewissern, ob die strengere, Liebe und Tod vereinende Arbeit wirklich aus der Sammlung Olbricht und die frechere, groteskere tatsächlich aus der Sammlung Falckenberg stammt. Wer denn meint, hier in Hamburg kenne man ja schließlich die Sammlung Falckenberg, kann aber durchaus neue Aspekte entdecken, zumal ja die großen raumfüllenden Installationen schon aus Kostengründen nicht aus Harburg ans Deichtor verpflanzt wurden.
Begrüßt von Che Guevara in Elvis-Pose, Gavin Turks lebensgroßer, in der Glasvitrine eines Pop-Museums gefangener Wachsfigur, können sich die Besucherinnen in einer Welt mit zahlreichen Reverenzen an Sex and Drugs and Rock’n’Roll bewegen, über Medien- und Gesellschaftskritik nachsinnen und sich mit traumatischen Verzerrungen von Welt und Selbstbild konfrontieren.
Aus der Sammlung Falckenberg kommen die großen Plüschtierplastiken von Mike Kelley, die vom vergifteten Paradies der Kindheit künden, und Jonathan Meeses Malerei mit ihrer größenwahnsinnigen Identifikation mit großen Vorbildern. Durch ein Guckloch in einem provisorischen Papp-Raum ist die Selbstbefriedungsmaschine von Sarah Lucas zu sehen.
In der Sammlung von Thomas Olbricht spiegelt sich die Kindheit mit Kaikai und Kiki im quietschbunten Japan-Pop von Takashi Murakami. Die sexuelle Thematik wird bei ihm eher in der Malerei abgehandelt – oder auch fotografisch: Marc Quinn bezieht sich mit seiner hautnahen Großfotografie einer Vulva auf Courbets einst skandalträchtiges Bild „Le Origine du Monde“ von 1866. HAJO SCHIFF
„Zwei Sammler“, Deichtorhallen Hamburg, Di – So 11 – 18 Uhr, bis 21. August
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