piwik no script img

KUNSTRUNDGANGMeike Jansen schaut sich in den Galerien von Berlin um

Ich schätze flapsige Weisheiten, hinter denen sich mehr verbirgt, als man zunächst denkt. Omas „Was du nicht willst, was man dir tut, das füg auch keinem andern zu“, machte den Anfang. Als Nächstes kam der Hackerethos „Öffentliche Daten nützen, private Daten schützen“ auf meine Favoritenliste. Etwas später formte sich die Idee von der Dimension eines „Denke global, handel lokal“. Dreht man den Spruch zu „Handel lokal, denke global“, ist man ganz nah bei der Rezeption der Werke des US-amerikanischen Konzeptkünstlers Fred Lonidiers, der von jeher in San Diego arbeitet. Eine der ersten Einzelausstellungen des noch unbekannten 1942 Geborenen, ist bei Silberkuppe zu sehen. Darunter mein neuester All Time Favourite „29 arrestes“, entstanden 1972 während der Demonstrationen gegen den Krieg in Nordvietnam. Er zeigt auf 29 Fotos einen Polizeifotografen, der die frisch festgenommenen DemonstrantInnen noch auf der Straße fotografiert. Die Rekationen der AktivistInnen vermitteln mehr Leichtigkeit denn Angst. JedeR reagiert seiner/ihrer Persönlichkeit entsprechend anders. Heute sieht das anders aus: Auf Demos fotografiert erst mal jedeR jedeN, die Polizei gleicht nicht selten einer Überwachungseinheit, und lustig geht es immer seltener zu. Welche moralische Position Lonidier, der hinter dem Fotografen steht, bezieht, bleibt aber nicht wirklich offen.

 Recht klar wird auch das Verhältnis der Fotografen Neumann und Rodtmann zu ihren Modellen. Die großformatigen Porträts von Damen, die dem Schönheitsideal einer Katzenberger ähneln, werden von den Herren als Freaks dargestellt. Das erinnert mehr an einen Racheakt als an eine Anregung, anhand der „Solar Beauties“ über Schönheitsideale nachzudenken. Bei Kopfbildern von etwa 1,20 mal 1,60 m kann man nur scheiße aussehen. Oma hat also recht.

■ Fred Lonidier: Artworks from protest, social criticism to class struggle; bis Mitte August, Fr+Sa, 14–18 Uhr, Skalitzer Str. 68 ■ Neumann & Rodtmann: Solar Beauties; Planet Modulor / Aufbau Haus, 1. OG links, Zugang über Freitreppe, Moritzplatz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen