Saab schlingert

AUTOS Kritiker werfen dem schwedischen Autobauer Konkursverschleppung vor. Juni-Löhne gesichert

STOCKHOLM taz | Die unmittelbare Konkursgefahr für den schwedischen Autobauer Saab scheint erst einmal gebannt. Durch den Verkauf von 50 Prozent des Eigentums an den Fabrikanlagen an eine Immobiliengesellschaft und eine Nutzung per Leasing kommen umgerechnet 28 Millionen Euro in die Kasse. Damit können die Juni-Gehälter der 3.500 Beschäftigten gezahlt werden. Der von den Gewerkschaften angekündigte Konkursantrag wäre damit vom Tisch.

Gleichzeitig hat aber ein Zulieferbetrieb einen Gerichtsvollzieher beauftragt, eine Forderung von knapp 5 Millionen Euro einzutreiben. Das könnte andere Lieferanten anstacheln und einen Konkursantrag auslösen. Lars Holmqvist, Generaldirektor des europäischen Verbands der Automobilzulieferer (Clepa), bezeichnete es im Blick auf die Saab-Leitung als „unverschämt gegenüber Personal und Lieferanten“, das Unternehmen nicht in Konkurs zu setzen: „Ich vermute, dort ist alles ausgeräumt.“

Laut Aktienrecht müsste die – vor einem Monat von „Spyker-Cars“ in „Swedish Automobile“ umbenannte – Saab-Mutter einen Konkursantrag stellen, wenn das eigene Kapital geringer als die Hälfte des Aktienwertes ist. Für eine Insolvenzverschleppung würden auch die Aufsichtsratsmitglieder persönlich haften und sich strafbar machen können. Dass alle anderen Mitglieder des Gremiums am Wochenende fluchtartig ihre Ämter niederlegten und dieses nun von Saab-Spyker-Konzernchef Victor Muller allein repräsentiert wird, heizte die Gerüchte um die Konkursreife von Saab an.

Die Insolvenz könne im Interesse potenzieller Käufer sein, die das Unternehmen billiger ganz übernehmen könnten, sagte Stefan Bratzel, Automobilanalytiker an der FHDW Bergisch Gladbach, der schwedischen Nachrichtenagentur TT: Er bezog sich dabei auf zwei chinesische Unternehmen, die die Absicht erklärt hatten, bei Saab einzusteigen. Problematisch sei aber die unklare Eigentümersituation bei Saab, weil GM noch immer Teile der Autotechnologie gehörten. Der US-Autokonzern hatte die 1989 erworbene schwedische Traditionsmarke im Januar 2010 an den niederländischen Sportwagenhersteller Spyker Cars verkauft. Von vornherein gab es Zweifel, wie das defizitäre Unternehmen Saab stemmen wollte. Und es gab Spekulationen, beim Verkauf handele es sich um ein „Strohmann“-Geschäft, mit dem GM sich anstelle einer teuren Unternehmensschließung aus seinen Verpflichtungen gegenüber Vertragshändlern und Kunden stehlen wolle. REINHARD WOLFF