„Eine breite Klaviatur“

WORKSHOP Aktivisten zeigen, wodurch friedliche Demonstrationen zum Erfolg werden können

■ 51, ist Journalist, Pädagoge, Aktivist und freier Mitarbeiter des Bildungsprojektes „Peace Brigades International“.

taz: Herr Schüller, sind traditionelle Protestzüge nicht mehr attraktiv genug, um Aufmerksamkeit zu erregen?

Jochen Schüller: Inhalte müssen in irgendeiner Weise transportiert werden. Je ansprechender und provozierender ein Inhalt verbreitet wird, desto eher erreicht man die Menschen, Medien und Politiker. Traditionelle Formen des Protests, sei es der zivile Ungehorsam, widersprechen sich nicht mit neuen, kreativen Formen. Sie sind Teil einer breiten Klaviatur, die rauf und runter gespielt werden sollte, je nach Zielgruppe, Thema oder Gegner.

Gibt es ein Rezept für eine „erfolgreiche“ Demo?

Nein, es gibt Methoden und Formen des Protests, die besser funktionieren als andere. Manche Methoden müssen allerdings an die jeweilige Situation und das Thema angepasst werden.

Wann zum Beispiel?

Im Rahmen des antirassistischen Netzwerks „Kein Mensch ist illegal“ gab es die sogenannte „Lufthansa Deportation Class“, eine Kampagne gegen Abschiebungen auf Lufthansa-Flügen. Damals war ein Sudanese bei der gewaltsamen Abschiebung in einer Lufthansa-Maschine ums Leben gekommen. In Folge dessen wurden traditionelle Demonstrationen durch Auftritte von falschen Stewardessen an Flughäfen oder bei Tourismusmessen ergänzt, die dort gegen Abschiebungen protestierten.

Ist Ihnen ein Protest bekannt, der unmittelbare Folgen nach sich zog?

Es gab in Osnabrück einen Fall zivilen Ungehorsams. Das war eine Sitzblockade, um eine Abschiebung zu verhindern. Und das hat funktioniert. Sitzblockaden werden seit Jahren von antirassistischen Netzwerken, die sich gegen Abschiebungen wenden, als Instrument eingesetzt.

Welche Formen des kreativen Protests gibt es noch?

Die „Bonzendemo“ in Köln karikierte Ende der neunziger Jahre die Versuche eines Zusammenschlusses Kölner Geschäftsleute, eine Innenstadt ohne Bettler, Obdachlose und Straßenmusiker durchzusetzen. Mit Slogans wie „Bettler besteuern“ oder „Junkfood statt Junkies“ zogen als Geschäftsleute verkleidete Demonstranten durch die Innenstadt. Das wesentliche Element der „Bonzendemo“ war die sogenannte subversive Affirmation, also eine überdeutliche Zustimmung, in der sich die Kritik an dem Sachverhalt offenbart.

INTERVIEW: SHN

Seminar zu kreativen Formen des Protests, 18 Uhr, Haus Drei, Hospitalstraße 107