DIE KÄMPFE IN LIBANONS PALÄSTINENSERLAGERN GEHEN ALLE AN
: Inflation rechtsfreier Räume

Seit fast drei Wochen liefert sich die libanesische Armee nun schon blutige Gefechte mit einer militanten Islamistengruppe, die sich mitten im palästinensischen Flüchtlingslager Nahr al-Bared im Nordlibanon verschanzt hat. Doch wäre in diesem Lager nicht gleich in den ersten Tagen dieser Kämpfe die Leiche eines Mannes gefunden worden, der seit dem letzten Sommer im Zusammenhang mit den geplanten Kofferbombenanschlägen auf deutsche Bahnhöfe gesucht wurde, wahrscheinlich hätte sich die deutsche Öffentlichkeit kaum dafür interessiert.

Die Verbindung zu den Kofferbombern zeigt, dass es sich hier nicht nur um einen rein lokalen Konflikt handelt. Spätestens seit dem 11. September ist klar geworden, wie eng die Sicherheit der USA und Europas mit den exotischsten Konfliktherden dieser Welt verwoben ist. Mit seinem Einmarsch in Afghanistan war US-Präsident George Bush damals angetreten, den Al-Qaida-Sumpf auszutrocknen. Stattdessen stecken er und seine Nato-Partner mit ihren Truppen dort bis heute fest.

Vor fünf Jahren gab es allein den anarchischen Raum afghanischer Höhlen, von dem aus militante Gruppierungen ungestört für ihre Aktionen planen und trainieren konnten. Doch heute ist die Zahl solcher rechtsfreier Räume kaum noch zu überschauen. Der Irak hat sich zum größten Tummelplatz für alle Arten von heiligen Kriegern entwickelt. Und im Schatten von failed states wie Somalia, im Gaza-Streifen oder eben den Palästinenserlagern im Libanon mit ihrem quasiautonomen Sonderstatus bilden sich immer neue, unkontrollierbare Zonen heraus, in denen ganz eigene Gesetze herrschen.

Militante radikale Gruppen nutzen solche rechtsfreien Räume und das Gefühl der Ausweglosigkeit, das sie umgibt, für ihre Zwecke aus. Meist wird ihr Treiben so lange ignoriert, bis der Fall zu einem Sicherheitsproblem erklärt wird, das nur noch mit militärischen Mitteln zu lösen sei. An der Perspektivlosigkeit ändert das nichts. Und davon profitieren am Ende nur die heiligen Krieger jeglicher Couleur. KARIM EL-GAWHRAY