Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Was passiert mit Menschen, die ihre Arbeit verlieren? Klar, es gibt kein eigenes Einkommen mehr, und niemand lebt gern von Arbeitslosengeld. Doch auch jenseits der pekuniären Aspekte wirkt sich die Arbeitslosigkeit auf die Betroffenen aus, wie der Dokumentarfilmer Dieter Schumann bei seinen Dreharbeiten zu „Wadans Welt“ auf der Wadan-Werft in Wismar feststellen musste. Dabei hatte Schumann ursprünglich eine Dokumentation über den Bau der weltgrößten Fähre im Sinn. Doch dann erlebte er, wie die Werft verkauft wurde und wenige Monate später wegen der Finanzkrise in die Insolvenz ging. Schumanns Protagonisten sind die Schweißer der Werft, die stolz sind auf ihre harte Arbeit und ihre Fähigkeiten: „Das kann nicht jeder.“ Doch dann kommt mit der Krise auch das Gefühl, dass diese Leistung nicht gewürdigt wird, nichts wert ist. Frust macht sich breit, zumal ihnen völlig klar ist, dass sie künftig – wenn überhaupt – zu deutlich schlechteren Konditionen arbeiten werden. Als sich schließlich ein neuer Investor findet, stellt der nur noch die Hälfte der bislang Beschäftigten ein. Ein Lehrstück über globalen Kapitalismus und die Menschen, die auf der Strecke bleiben. Zur Vorführung sind Kameramann Rainer M. Schulz, Regisseur Dieter Schumann, der Dramaturg Jochen Wisotzki und der Produzent Christian Beetz anwesend, danach wird zum Thema „Wahrhaftigkeit und Authentizität im deutschen Dokumentarfilm“ diskutiert. (5. 7., Babylon Mitte)

Wie weit man sich Ende der 1960er Jahre von den Mythen des klassischen Westerns entfernt hatte, zeigt Arthur Penns „Little Big Man“, in dem Dustin Hoffman als vermeintlich letzter Überlebender der Schlacht am Little Big Horn seine Memoiren auf das Tonband eines Amateurhistorikers spricht. Der unbedarfte Antiheld Jack Crabb laviert sich dabei in der Tradition des Schelmenromans mit einer gehörigen Portion Opportunismus durch die Zeitläufte: Jack ist unter anderem indianischer Krieger, Adoptivsohn eines Pfarrers, Revolverheld („The Soda Pop Kid“), ehrbarer Geschäftsmann, Säufer, Trapper und schließlich Scout in der Armee von General Custer. Vor allem aber muss man die Schilderung der indianischen Cheyenne-Gesellschaft in „Little Big Man“ als Allegorie sehen: Die im Auftrag des Staates niedergemetzelte Indianergemeinschaft steht hier für die Utopie von einer gerechteren modernen Gesellschaft, in der es Wehrdienstverweigerung, die gesellschaftliche Anerkennung von Homosexualität und freie Liebe gibt. Was nicht verwundert, denn 1969 befand sich die amerikanische Gesellschaft im Umbruch: Es waren die Tage von Studentenrevolte und Rassenkrawallen, von Bürgerrechtsbewegungen und des Vietnamkriegs. (OF, 1. + 5. 7., Arsenal)

Wer es doch lieber klassisch mag, der guckt Howard Hawks’ „Red River“ (1948): komplett mit Prärie und einem gewaltigen Viehtreck, dessen Leitung zu Konflikten zwischen dem starrsinnigen Anführer (John Wayne) und seinem Ziehsohn (Montgomery Clift) führt, die in eine Meuterei münden. (1. 7., Arsenal)

LARS PENNING