Fortschritt durch Nehcerpssträwkcür

Bernhard Wolff kann ganze Sätze rückwärts sprechen, ohne sie geschrieben vor sich zu haben. Das interessiert die Neurologen genauso wie das Kleinkunstpublikum, für das der gebürtige Lübecker ab morgen in Hamburg als Rückwärtssprecher auf der Bühne steht

Ein Mann isst eine Banane und sagt dabei: „Tcham Nenamab nam iiww Nenii chi egijez etiohh“. Er ist graublond, hochstirnig, helläugig und 40 Jahre alt. Derselbe Mann – jetzt in einer Videoaufnahme – kaut, schluckt sichtbar, beugt sich vor und würgt aus dem Mund eine halbe Banane in die Schale, die er hält. Nochmals Würgen – das zweite Stück dockt er ans erste an. Dabei sagt er: „Heute zeige ich Ihnen, wie man Bananen macht.“ Ordentlich werden die Schalenstreifen um die nun ganze Banane herumgelegt und mit Spucke verschlossen – fertig. Er hält die Frucht mit strahlenden Augen in die Kamera. Aber eigentlich isst er die Bananen lieber, statt sie zu spucken. Trotzdem macht Bernhard Wolff vieles gerne rückwärts: Er ist „Rückwärtssprecher“ – unter anderem. Vor einiger Zeit wollte die Wissenschaft Wolffs ungewöhnliche Denkstrukturen per Kernspintomographie aufklären. Dabei ging es vor allem um Wolffs außergewöhnliche Fähigkeit, mit Sprache umzugehen.

Wie kam es dazu? Im Jahr 1972 sah der siebenjährige Bernhard aus dem Fenster seines Schulbusses auf das Ortsschild seiner Heimatstadt. Von da an hieß der Ort für ihn Frodslekots, denn das las er dort. Für alle anderen war es weiterhin Stockelsdorf bei Lübeck. Bernhard Wolff hatte seine neue Leidenschaft entdeckt: Das Rückwärtslesen und -sprechen. Er fing an, diese Fähigkeit zu trainieren.

Mithilfe rückwärts abgespielter Texte, die er auf Kassette aufgenommen hatte, gewöhnte er sich an den Klang und die Betonung. Bald konnte er ganze Sätze umgekehrt sprechen, und zwar ohne sie vom Papier abzulesen: Dafür reichte ihm sein geistiges Auge. Vor diesem zeigte sich der gehörte Satz, den er dann retour ablas. Dem schlauen, aber wunderlichen Jungen machten vor allem stille, allein ausführbare Beschäftigungen Spaß: Zinnfiguren sammeln oder Angeln. Sein Vater erklärte ihn zeitweise für verrückt, hielt es aber doch für richtig, seinem Achtjährigen einen Zauberkasten zu schenken.

Mit 16 trat Wolff erstmals als Zauberkünstler auf, erst vor dem Familienkreis, bald auch bei Privatfeiern vor 100 Leuten. Wortgefühl und Illusionismus wurden nachhaltige Fähigkeiten im Leben des schlauen Wolff. Doch neben den Seiltricks oder der in der Truhe verschwindenden Schwester wollte er auch etwas Besonderes. Das Büchlein „Gedächtnistricks“ brachte ihn auf den Weg: „ Ich fand es schon immer toll, mit dem Kopf zu zaubern“ sagt Wolff. Also erarbeitete er sich ein eigenes Programm: einen Mix aus Zaubernummer, Comedy und Varieté-Show.

Seine Idee, sich 30 Begriffe zu merken und auch noch rückwärts zu sprechen, kam gut an. Mit zwei Freunden vom Fach, Detlef Simon und Manuel Muerte, gründete er 1985 die Kleinkunsttruppe „ Plebsbüttel“. Auf Deutschlands Kleinkunstbühnen schlugen sie sich rund 10 Jahre lang erfolgreich. Dabei entdeckte der stille Wolff, dass in ihm eine „Rampensau“ steckt und bildete 1998 das Hamburger Think-Theatre, zusammen mit drei anderen Spezial-Talenten: einem Breakdance-Weltmeister und Comedian, einem Überkopf-Geigespieler und einem Blitzrechner und Mathe-Magier.

Parallel zum Bühnendebüt ließ er sich zum Werbetexter ausbilden und beendete das Studium der Mathematik und der Wirtschaftspädagogik mit einem Diplom über Gedächtnistraining. 2002 veröffentlichte er sogar ein Buch darüber. 2003 traf der Wolff den Jäger und gründete zusammen mit ihm die Marketing-Agentur „Wolff trifft Jaeger – GmbH für erstaunliche Ereignisse“.

Oft wird Wolff von großen Firmen als Event gebucht. Aber auch Trophäen hat er zu bieten: Er bekam 1990 den Deutschen Preis für Mentalmagie und wurde 1994 Weltmeister der „Comedy Magic“. Ab dem 7. Juni ist er wieder zu sehen, mit seiner Show „Denken hilft“ im Hamburger Monsun Theater.

Und was hat die Gehirnforschung ergeben? „Beim Sprechen denke ich eine Bewegung mit“, erklärt Bernhard Wolff, „einer Welle ähnlich, wie eine Radiowelle, die die Betonung abbildet.“ Deswegen klingt es auch so seltsam, wenn er: „Tcham Nenamab nam iiww Nenii chi egijez etiohh“ sagt. Was dann, abgefilmt und abgespielt, Sinn macht. Dieser Wolff frisst eben keine Schafe, er hilft ihnen allenfalls auf die Sprünge. Am liebsten mag er Bananen, die machen schlau. Imke Staats

„Denken hilft“ auf der Bühne: 7.-10. und 21.-24. Juni, 16.-19. und 23.-26. August 07 im Hamburger Monsun Theater