Haudegen und The Baseballs machen Musik für die ganze Familie

Nur zur Klarstellung, nicht dass Sie sich wundern: Die Faschingszeit ist vorbei. Wenn man sich aber Haudegen ansieht oder auch The Baseball, denkt man unweigerlich: Ist denn schon wieder Rosenmontag? Die einen sehen aus wie Bierkutscher, die anderen wie James Dean, alle irgendwie verkleidet. Beide machen übrigens auch Musik. Die ist bei Haudegen ziemlich bräsige Rockmusik zwischen Ballade und Hymne, mit Gitarren, die fast so breite Ärsche haben wie Sven Gillert und Hagen Stoll, die beiden Frontmänner. Gillert nannte sich früher mal Tyron Berlin, Stoll firmierte als Joe Rilla. Als solcher hat er am Ende des vergangenen Jahrtausends geholfen, den Osten Berlins auf die HipHop-Landkarte zu setzen, indem er den harten Mann aus dem Plattenbau markierte und trotzdem Reinhard Mey schätzte. Nachdem das Jahrtausend dann doch zu Ende gegangen war, ging er zu Aggro Berlin, die überraschenderweise die Sache mit Reinhard Mey unter den Tisch fallen ließen. Aber auch das hat nicht so recht funktioniert. Deshalb gibt es jetzt keinen Rap mehr, sondern Haudegen, ihr Debüt-Doppelalbum „Schlicht & Ergreifend“, und Reinhard Mey ist auch irgendwie wieder da. Stoll und Gillert singen nun von den Ausgestoßenen, sie markieren die Unverstandenen, sie schlüpfen in die Rolle von denen, die draußen bleiben müssen. Sie singen alte Weisheiten („Was mich nicht umbringt, macht mich stark“), pochen auf verlorene Werte („ein Mann, ein Wort“) und wollen nur ein kleines bisschen Glück (oder wenigstens „ein gutes Gefühl im Bauch“). Sie schielen vor allem ziemlich unverschämt auf die Zielgruppe, die die Böhsen Onkelz hinterlassen haben, haben aber auch nichts dagegen, wenn deren Muttis mitschunkeln. Schlager für harte Jungs, aber die Kostüme mit Schiebermütze und Latzhose sind knorke.

 Gut sehen The Baseballs sowieso aus, und auch sie schütten einen Generationengraben zu: den zwischen der Oma, die Ted Herold mag, und der Enkelin, die eher auf Lady Gaga steht. Das geschieht, indem sie den Gaga-Song „Paparazzi“ ganz im Sinne der deutschen Rock-’n’-Roll-Legende interpretieren: mit harmoniesüchtigen Doo-Wop-Chören, einem rollenden Rockabilly-Rhythmus und frisch pomadisierten Tollen. Auf ihrem zweiten Album „Strings’n’Stripes“ wendet das Trio exakt jenes Erfolgsrezept an, das ihr Debüt „Strike!“ schon zu einem überraschenden Erfolg in ganz Europa befördert hat: Ganz neue und etwas ältere Hits werden nicht nur in das Klanggewand der 1950er überführt, sondern zum Soundtrack für eine heile Welt, die so niemals existiert hat. Diesmal dienen die Melodien von Katy Perry, den Backstreet Boys, Uncle Cracker oder 50 Cent dazu, Schlager zu garnieren, die einen Traum von Amerika reproduzieren, der so ungebrochen ist, als wäre das Land der unbegrenzten Möglichkeiten erst vergangenen Freitag entdeckt worden. Aber so viel Eskapismus darf sein, es ist schließlich nur Musik. Und die ist zudem extrem schmissig, gnadenlos unterhaltsam und trägt doch auch zum Familienfrieden bei. THOMAS WINKLER

■ Haudegen: „Schlicht & Ergreifend“ (Warner), live am 1. 7. im Lido

■ The Baseballs: „Strings’n’Stripes“ (Warner)