Neuer Rückschlag für US-Präsident Bush

In der Einstufung zweier als Terrorkämpfer beschuldigter Gefangener im US-Lager Guantánamo fehlt das Wort „ungesetzlich“. Jetzt können sie nicht von den US-Militärtribunalen verurteilt werden. Diese sind wieder Gegenstand einer Grundsatzdebatte

Juristisches Chaos: Militärtribunale zurück auf Start?

VON BERND PICKERT

Erneut ist die US-Regierung bei ihrem Versuch gescheitert, unter Terrorverdacht gefangen gehaltene Insassen des Internierungslagers Guantánamo auf Kuba von US-Militärtribunalen verurteilen zu lassen. Weil in ihrer Einstufung durch die entsprechenden Anhörungstribunale das Wort „ungesetzlich“ fehlt, kann der Prozess gegen zwei Gefangene nicht wie geplant vor einem Militärtribunal durchgeführt werden. Das entschieden die Militärrichter am Montag.

Die beiden, der Kanadier Omar Kadr und der aus dem Jemen stammende Salim Ahmed Hamdan, waren – wie alle anderen Guantánamo-Insassen, im Verlauf der letzten Monate vor sogenannten Kämpfer-Status-Überprüfungs-Tribunalen angehört und als „feindliche Kämpfer“ eingestuft worden. Das im vergangenen Jahr unter Druck der Bush-Regierung in großer Eile durch den Kongress gepeitschte Gesetz über die Militärtribunale sieht aber vor, dass dort nur „ungesetzliche feindliche Kämpfer“ abgeurteilt werden sollen – doch das Wort fehlt in der Einstufung. Prompt erklärten die Militärrichter sich für nicht zuständig.

Ein „ungesetzlicher“ feindlicher Kämpfer – der nicht nach den Genfer Konventionen über Kriegsgefangene behandelt werden muss – würde sich etwa dadurch auszeichnen, keine Uniform einer kämpfenden Truppe getragen oder seine Waffen versteckt zu haben.

Hamdan und Khadr waren erst die zweiten und dritten Insassen, die überhaupt vor Militärtribunalen verurteilt werden sollten. Der erste Angeklagte, der Australier David Hicks, hatte sich im März offenbar in einer Absprache mit dem Tribunal der Unterstützung von al-Qaida schuldig bekannt und war dafür im Mai von Guantánamo aus nach Australien geflogen worden, wo er seine Reststrafe absitzt und vermutlich im Dezember dieses Jahres entlassen wird.

Hamdan wird beschuldigt, jahrelang der Fahrer Ussama Bin Ladens in Afghanistan gewesen zu sein. Der vor fünf Jahren im Alter von 15 Jahren in Afghanistan festgenommene Omar Kadr soll einen US-Soldaten mit einer Handgranate getötet haben.

In den USA ist angesichts der neuen juristischen Panne eine Diskussion über die grundsätzliche Rechtmäßigkeit und Praktikabilität der Militärtribunale entbrannt. Der republikanische Senator Arlen Specter, jahrelanges Mitglied des Justizausschusses, sprach am Montag von einem „schlechten Gefühl dem ganzen Guantánamo-Milieu gegenüber“. Den Hinweis des Pentagons, es handele sich nur um ein semantisches Problem, schließlich habe der Kongress doch die Militärtribunale gewollt, erklärte Specter zu einem „gewaltigen Irrtum“.

Wenn das Gesetzeswerk, das einige von US-Medien zitierte Experten als handwerklich schlampig und widersprüchlich bezeichnen, nicht erneut gekippt werden soll, müsste der gesamte Prozess der Anhörungstribunale wiederholt und den Gefangenen in dieser zweiten Runde der Stempel „ungesetzlich“ aufgedrückt werden.

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