Kritische Putin-Stimme aus dem Exil

Diplomatische Äußerungen sind ihre Sache schon lange nicht mehr. Auch jetzt hat die russische Journalistin Jelena Tregubova wieder deutliche Worte gefunden. „Ich habe persönliche Erfahrungen mit dem Regime von Wladimir Putin und der Art, wie der russische Präsident vorgeht. In meine Heimat zurückzugehen hieße für mich, Selbstmord zu begehen“, schreibt die 34-Jährige in einem offenen Brief an die G 8, den die britische Tageszeitung The Independent gestern veröffentlichte. Derzeit hält sich die „Nestbeschmutzerin“ – so die Lesart des Kreml – in Großbritannien auf, wo sie politisches Asyl beantragt hat.

Tregubova hat in Russland schon mal bessere Zeiten erlebt. In den 90er-Jahren und damit zu einer Zeit, als viele noch auf eine Demokratisierung des Landes hofften, studierte sie Journalistik an der Moskauer Staatlichen Universität. Ihren ersten Job hatte sie bei der Nesawissimaja Gaseta. Zwischen 1997 und 2001 war sie Mitglied des Kreml-Pools, zu dem nur ausgewählte Journalisten Zugang hatten, und schrieb für unabhängige Moskauer Zeitungen, wie Kommersant, Iswestija und Russkij Telegraf. Der Honeymoon mit der Macht endete abrupt, als sich Tregubova „erdreistete“, in ihrer Berichterstattung von der offiziellen Version der Ereignisse abzuweichen: Sie wurde aus dem Pool ausgeschlossen. Im Oktober 2003 erschien ihr Buch „Die Mutanten des Kreml“. Darin rechnete Tregubova mit Putins autoritärem Regime sowie seiner Medienpolitik ab, porträtierte aber auch in wenig schmeichelhafter Weise Vertreter der Topelite – pikante Details inbegriffen.

„Mein Buch wird ein politisches Beben auslösen“, hatte Tregubova dem Verleger des kleinen Moskauer Verlags Ad Marginem versprochen, nachdem die großen Häuser eine Veröffentlichung abgelehnt hatten. Ein Beben löste das Buch nicht aus, dafür explodierte kurze Zeit nach dessen Erscheinen vor Tregubovas Wohnung in Moskau eine Bombe. Die Journalistin, die zeitgleich auch noch ihren Arbeitsplatz bei Kommersant verlor, blieb unverletzt.

Im Dezember vergangenen Jahres sollte Tregubova zu einer Lesereise nach Deutschland kommen, der Besuch wurde jedoch kurzfristig abgesagt. Tregubova sei untergetaucht, weil sie um ihr Leben fürchte, begründete der deutsche Verleger den plötzlichen Rückzieher. Offensichtlich fühlte sich die unbequeme Kreml-Chronistin in Russland aber weiterhin bedroht. Sie floh nach Großbritannien. In ihrem Bestseller beschreibt sie auch ein Treffen der etwas intimeren Art mit Präsident Putin in einem Moskauer Sushi-Restaurant. Solche Orte sollte sie in London besser meiden. BARBARA OERTEL