merkels deutsch-französisch-dolmetscher
: Brückenbauer zwischen Mächtigen

Ohne ihn kein Privatgespräch: Werner Zimmermann

Während des G-8-Gipfels gibt es immer wieder diese Momente, in denen so etwas wie spontane Intimität zwischen den Regierungschefs entstehen soll. Für Werner Zimmermann sind das Momente größter Anspannung. Wenn sich Angela Merkel und Nicolas Sarkozy zum Tête-à-Tête im Nebenraum zurückziehen, muss er als Französisch-Deutsch-Dolmetscher der Bundeskanzlerin sofort präsent sein.

Akkurat gekleidet, wie immer, wird Zimmermann im Kempinski-Hotel in Heiligendamm jeden Schritt seiner „Chefin“, wie er sagt, aus dem Hintergrund verfolgen. Kommt es dann zum Vieraugengespräch, zählen seine Augen nicht mit. Dem 58-Jährigen mit dem weißen Haar und der randlosen Brille macht die Statistenrolle nichts aus. Aber ihm gefällt auch die Nähe zur Macht – und der Glanz, der ein bisschen auch auf ihn abfällt.

Der G-8-Gipfel ist für Dolmetscher in etwa so bedeutend wie die Weltmeisterschaft für Fußballer. Und Werner Zimmermann ist ihr Rekordnationalspieler. Seit 1998 ist er bei jedem G-8-Gipfel dabei. Kohl, Schröder, Merkel: Die Kanzler kommen und gehen, ihr Dolmetscher bleibt.

24 Dolmetscher sind in Heiligendamm vor Ort. 18 von ihnen arbeiten als Simultandolmetscher in den Kabinen. Die anderen sechs sind für das Private zuständig.

Zum Beispiel für das Galadiner am Abend. Anders als bei den Arbeitssitzungen wollen sich die Staatschefs hier ohne Kopfhörer mit ihren Sitznachbarn entspannt unterhalten. Für die Dolmetscher ist das allerdings purer Stress. Sie nennen das „Stühlchensitzen“, weil sie direkt hinter den Chefs in der zweiten Reihe um den Tisch Platz nehmen.

„Das hassen wir“, sagt Zimmermann. Links redet einer, rechts auch; der, den man übersetzen soll, spricht in die entgegengesetzte Richtung, von hinten stößt die Bedienung, die sich gestört fühlt. „Gleichzeitig knurrt der Magen und alle Düfte des Orients ziehen an der Nase vorbei, ohne dass wir die Chance hätten, etwas abzubekommen“, erzählt Zimmermann.

Zimmermann ist ein wandelndes Berufsgeheimnis. Über den Inhalt der Gespräche, die er übersetzt hat, darf kein Wort an die Öffentlichkeit dringen. Das ist manchmal schwierig. Etwa, wenn Freunde ihn mal wieder am Bildschirmrand in der Tagesschau entdeckt haben und wissen wollen, wie denn der neue französische Präsident so sei. „Man kann dieses Wissen nicht verwerten“, sagt Zimmermann. „Aber es zu haben ist auch ganz nett.“

Zimmermann taucht öfter in der Tagesschau auf als die meisten Bundestagsabgeordneten. Aber man muss ihn schon kennen, um das zu bemerken. Als Dolmetscher ist er immer nah dran und doch nicht dabei. Er sagt: „Ich fühle mich wie ein Statist, der in einem großen Film mitwirkt und genau weiß, dass der Film ohne den Statisten nicht gedreht werden könnte.“ NIKOLAI FICHTNER