KIM TRAU POLITIK VON UNTEN
: Ein Strich macht vieles möglich

Sprache ist mit Bildern verknüpft. Die müssen bunter werden. Ein kleiner Handgriff hilft

Sprache ist nicht neutral oder wertfrei. So richtig klar wurde mir das erst, als ich meine Geschlechtsidentität in Frage stellte und Sprache beklemmend und bedrohlich für mich wurde. Beklemmend, weil sie keine Worte bot, mit denen ich mich beschrieben fühlte, und bedrohlich, weil jedes „er“ mich in eine Kategorie zwängte, in die ich nicht mehr passte. Damit begann sich auch mein eigener Umgang mit Sprache zu ändern.

Ein Beispiel: An was denken Sie, wenn Sie das Wort „Schlachter“ lesen? Wahrscheinlich an einen Mann mit blutverschmierter Schürze. Sprache ist eben mit Bildern verknüpft, die wir den Worten, die sie bezeichnen sollen, zugeordnet haben. Diese Bilder sind von unseren Erfahrungen und unserer Umwelt abhängig. Problematisch wird es, wenn wir an den Schlachter und die Hausfrau denken. Die Pendants „Schlachterin“ und „Hausmann“ erscheinen gekünstelt, dabei gibt es sie natürlich auch, wenn auch nicht in gleicher Zahl. Indem wir aber nur von dem einen reden, offenbart sich ein bestimmtes Verständnis davon, was Weiblich- und Männlichkeit ausmacht.

Gegen dieses Verständnis haben sich Feminist_innen mit dem Binnen-I (SchlachterIn) oder dem Schrägstrich (Schlachter/in) gewehrt. Seitdem sind zwei, drei Jahrzehnte vergangen, und der Unterstrich ist hinzugekommen.

Wahrscheinlich bin ich vor drei Jahren auf ihn gestoßen, als ich an meiner ersten Trans*Tagung teilnahm. Inzwischen benutze ich ihn selber und möchte damit Bilder kaputtmachen. Bilder von männlichen Schlachtern und weiblichen Hausfrauen. Ich möchte dafür sensibilisieren, dass Geschlecht nicht weiblich oder männlich sein muss. Dass es auch Selbstverständnisse gibt, die sich damit nicht greifen lassen. Da scheitert jedes Binnen-I und jeder Schrägstrich. Das betrifft auch viele Trans*Leute, die sich nicht mehr in eine von zwei Schubladen einer morschen Kommode stecken lassen möchten. Weil sie nicht die Frau oder der Mann sind, die oder den ihre Umwelt erwartet hat.

Diese Lebensläufe und Erfahrungen nicht zwischen den Mühlsteinen „weiblich“ und „männlich“ zermalmen zu lassen, auch dafür ist der Unterstrich da. Er schafft einen Bruch, wo Brüche verschwiegen werden, macht Ausgeblendetes sichtbar, zwingt zum Innehalten und schafft Raum für neue Selbstverständnisse. Und das sieht so aus: Schlachter_in, Student_in, sie_er, diese_r.

Sprache wertet, aber in ihr steckt nicht nur das Potential für Abwertung, sondern auch für Wertschätzung und Respekt. Der Unterstrich macht’s möglich.

Die Autorin ist Studentin Foto: privat