Jukebox

Die Revolution findet ab jetzt wieder im Saale statt

Es geht wieder mal, meine Damen und Herren, um alte Säcke. Damit vielleicht auch um Alte-Sack-Musik. Muss ja keiner weiter lesen, der für so was sich nicht zu interessieren meint. Noch aber sind die drei Musiker Daevid Allen (13. 1. 1938), Hugh Hopper (29. 4. 1945) und Chris Cutler (4. 1. 1947) nicht tot, und deswegen darf man in Umkehrung des alten Begräbnisspruches sogar Schlechtes über sie sagen. Wer da lebt, hat verflixt noch mal das Recht darauf, dass über ihn und seine Arbeit diskutiert wird.

Kennen sollte man Daevid Allen vor allem von Gong, den bestimmt verkifftesten Sphärengleitern des Psychopop, Hugh Hopper ist eines der immer guten Gewissen von Soft Machine, und Chris Cutler trommelte unter anderem bei Henry Cow, die meist bei Prog- oder Art-Rock abgeheftet werden. Wobei man sicher sein darf, dass sich die, die den üblicherweisen Prog- und Art-Rock hören, an Henry Cow die Ohren ausbeißen. Weil Prog und Art meint meist ja Bands wie King Crimson oder Genesis, die sich selbst in Metal-Lexika finden. Was nur auf engste Verwandtschaftsbeziehungen zwischen dem Art- und dem Hardrock verweist. Nicht aber als Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Nur dass irgendeiner der armselige Bruder des anderen ist.

Als Prog aber hätten sich Allen/Hopper/Cutler schon verstanden. Progressive. Formensprengend, neue Horizonte suchend. Weswegen so ab Ende der Sechziger auch mit ihnen die Musik ins Albumformat drängte und damit die klassische Single als vom neuen Geist der Zeit Überholtes schnöde zurückließ. Das darf Prog als seinen Sieg feiern: Bis weit ins Internetzeitalter galt ein Album irgendwie immer wertvoller als ein einzelner Song.

Woran man jetzt in einer Verfertigung der Gedanken beim Schreiben so eine Dialektik des Progressiven anbinden könnte. So ein Album als Form muss ja erst gehört sein. Es drängt nach der Häuslichkeit. Abhängen bei guter Musik. Die Erforschung des Innen. Dagegen steht das Außen: Die Single. Immer auf dem Sprung. Definitiv mehr Straße. Also dort, wo zu besten Prog-Zeiten (1968) ja die Revolution geprobt wurde. Vielleicht ist es damit nur nix geworden, weil zu viele immer Gong/Soft Machine/Henry Cow am Innenohr hatten. Die Musik evolutionierten sie aber doch. Bis heute. Was am Sonntag im Ballhaus Naunynstraße (21 Uhr) zu hören ist, wenn die Herren Allen/Hopper/Cutler als Brainville 3 zusammen spielen. Hardcore-Altsäckigkeit. Respekt. THOMAS MAUCH