piwik no script img

Putin überrascht Bush im Raketenstreit

Russlands Präsident will USA zu einem gemeinsamen Abwehrsystem in Aserbaidschan bewegen

HEILIGENDAMM dpa/ap/taz ■ Der russische Präsident Wladimir Putin hat den USA überraschend ein gemeinsames Raketenabwehrsystem in Irans Nachbarland Aserbaidschan vorgeschlagen. Damit könnte ganz Europa vor einer Bedrohung geschützt werden, sagte Putin am Donnerstag nach einem Treffen mit US-Präsident George W. Bush am Rande des G-8-Gipfels in Heiligendamm.

Die USA müssten somit aus der Sicht Russlands nicht mehr das geplante Raketenabwehrsystem in Mitteleuropa aufbauen, und Russland würde dann weiterhin darauf verzichten, seine Raketen auf konkrete Ziele in Europa zu programmieren.

Ob der Vorschlag einen Ausweg aus dem seit Monaten schwelenden Raketenstreit bietet, bleibt abzuwarten. Die USA haben immer wieder bekräftigt, in Tschechien eine Radarstellung zu errichten und in Polen Abfangraketen zu stationieren. Moskau hatte den Ausbau des US-Raketenschildes in Europa in den vergangenen Tagen als Rückfall in die Zeit des Kalten Krieges kritisiert und mit „Vergeltungsschritten“ gedroht, sollte Washington an seinem Rüstungsvorhaben festhalten.

Bush nannte das Angebot gestern vor Journalisten eine „interessante Idee“. Nun sollen bilaterale Arbeitsgruppen der Verteidigungs- und Außenministerien das Thema erörtern.

Mit der Annahme des russischen Vorschlags könne man „auch ausschließen, dass Trümmer von Raketen auf europäische Länder fallen, da sie im Meer niedergehen würden“, sagte Putin. Das automatische System könne um die Radarstation Gabala im Norden Aserbaidschans aufgebaut werden. Die Station wird derzeit von den Russen bei Aserbaidschan gemietet. „Ich habe gestern mit dem aserbaidschanischen Präsidenten darüber gesprochen. Sein Einverständnis würde es uns erlauben, die Station gemeinsam zu nutzen“, sagte Putin laut Interfax.

Auf die russischen Drohungen in den letzten Tagen hatte die US-Delegation gestern zunächst irritiert reagiert. Die Regierung sei „sehr besorgt über Russland“, sagte Daniel Fried, Staatssekretär im US-Außenministerium, dem Internetdienst Spiegel Online. „Dass Putin mit Nuklearangriffen auf Europa droht, ist seltsam.“ Mittags dann hatte Bush weitaus ruhigere Töne angeschlagen. Er schlug Moskau vor, sich an dem Raketenabwehrsystem zu beteiligen.

debatte SEITE V

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen