Wäre ja noch schöner

Nach dem 2:1-Erfolg gegen die Slowakei und der Quasiqualifikation für die Europameisterschaft dürfen die Nationalspieler kurz ausruhen, dann müssen sie sich wieder „individuell verbessern“

AUS HAMBURG MARKUS VÖLKER

Seit Jürgen Klinsmann das Nationalmannschaftswesen umgemodelt hat, erheitert man sich in Kreisen der DFB-Entourage mit Sinnsprüchen. Man greift nicht auf das aphoristische Werk eines Karl Kraus oder Émile M. Cioran zurück, nein, für den kleinen spirituellen Kick sorgen eher Krethi und Plethi. So durften die deutschen Elitekicker vor dem Spiel gegen die Slowakei hübsche rote Leibchen mit der Aufschrift „Wer hier nur 80 % gibt, der gibt 100 %-tig zu wenig“ tragen. Das sollte wohl heißen: Obwohl wir auf dem letzten Loch pfeifen, die Saison viel Kraft gekostet hat, die Motivation am Boden ist und Vertragsverhandlungen den allerletzten Nerv rauben, besinnen wir uns auf die guten alten deutschen Tugenden und rennen den Gegner noch einmal in Grund und Boden, denn danach ist ja Urlaub angesagt. Und in die Ferien wollten Spieler und Betreuer „mit einem guten Gefühl“ gehen. Wäre ja noch schöner, wenn die Stimmung am schönen Strand von Tuvalu oder den Malediven dahin ist, weil ein Heimspiel vergeigt wurde.

Sie haben dann am Mittwochabend im voll besetzten Hamburger Stadion etwa 81,34 Prozent gegeben, was gegen eine junge Mannschaft aus der Slowakei vollkommen ausreichte. Die DFB-Auswahl hat mit dem 2:1 die Tabellenführung in der EM-Qualigruppe D gut abgesichert (fünf Punkte Vorsprung auf Tschechien, sechs Punkte auf Irland). In sieben Spielen holten Joachim Löws Fußballerweckte 19 Punkte, das entspricht exakt 90,47 Prozent der maximalen Ausbeute. Das ist 100-prozentig okay. Oder wie Löw nach dem Spiel sagte: „Die Saison macht mich persönlich zufrieden.“ Die Zufriedenheit, auch das hat Jürgen Klinsmann gelehrt, darf freilich nie länger als einen Augenblick dauern, denn: „Stillstand ist Rückschritt.“ Also führte der Trainer umgehend aus, dass er nicht zufrieden sein werde. Er wolle künftig wieder junge Spieler an die Mannschaft heranführen. Neben den Schnupperkursen für Begabte wird es auch eine knallharte Etabliertenförderung geben. „Wir müssen die Mannschaft spielerisch voranbringen, und wir müssen die individuelle Qualität erhöhen. Wir werden den Spielern klare Dinge an die Hand geben“, sagte Löw.

Es soll alles noch besser werden. Spätestens zur Europameisterschaft will sich das Team der Unantastbarkeit nähern. Dabei sind die individuellen Fähigkeiten gar nicht so entscheidend, vielmehr die „mannschaftliche Geschlossenheit“ – und die Kondition. Stimmt die Form nicht, dann wird es auch nichts mit der Hegemonie auf dem Platz. Das war in Hamburg ganz gut zu sehen. Christoph Metzelder schleppte sich über den Platz, als leide er an einer besonders schweren Form des Pfeiffer’schen Drüsenfiebers; prompt netzte er unkonzentriert ins eigene Tor ein. Allein Marcell Jansen sprintete über die linke Seite, als müsse er noch um seinen Vertrag mit den Bayern kämpfen.

Durch die partielle Lauffaulheit der Deutschen klafften gefährlich große Lücken in der Abwehr, vor allem im defensiven Mittelfeld. Das war nicht nur die Schuld von Torsten Frings und Thomas Hitzlsperger, die Viererkette war’s, die herumgurkte und viel zu tief stand, das heißt: zu nah am Tor von Jens Lehmann. Ob es am sprudelnden Laktat lag oder an der Feinabstimmung, wer weiß. Bundestrainer Joachim Löw versteifte sich jedenfalls auf die Diagnose „Burn-out-Syndrom“. Er sagte in einem saunaschwülen Pressekonferenzraum: „Ich habe schon gespürt, dass die Spieler im Kopf ein bisschen leer sind.“

Gähnende Leere dürfte in den letzten Wochen im Oberstübchen von Miroslav Klose geherrscht haben. Der Stürmer macht ausgiebige Ausflüge in die Vorhölle des Fußballs, steht neben sich, wird von bösen Gerüchten eingeholt, leidet an schwerer Entscheidungsunfähigkeit und bekommt zu allem Übel den Ball nicht mehr rein. In Hamburg schien es, als habe Klose ein Tor geschossen. Er selbst wollte gefühlt haben, wie ihm der Ball beim 1:0 ans Schienbein gesprungen sei. Doch die Uefa verfügte nach dem Spiel, dass es sich um ein Eigentor gehandelt habe. So bleibt dem armen Klose nur ein gefühltes Tor und die guten Worte von Bundestrainer Löw. „Eine Leistungsexplosion“ sei nicht zu sehen gewesen, sagte Löw, „aber er hat sich stark verbessert gezeigt“. In der kommenden Saison „lernen wir den Klose wieder kennen“, mutmaßte Löw schließlich. Passender Sinnspruch hierfür vom Herrn Cioran: „Das Erwachen hängt nicht von den intellektuellen Fähigkeiten ab.“ Sondern manchmal nur von einer guten Flanke.

DEUTSCHLAND – SLOWAKEI 2:1 Deutschland: Lehmann - Lahm , Mertesacker, Metzelder, Jansen - Frings - Fritz, Schneider (90.+2. Rolfes), Hitzlsperger - Klose (74. Trochowski), Kuranyi (65. Gomez) Slowakei: Contofalsky - Krajcik, Skrtel, Durica, Klimpl - Hamsik, Strba (83. Oravec) - Sestak (65. Zofcak), Sapara (65. Holosko), Svento - Vittek Tore: 1:0 Durica (10./Eigentor), 1:1 Metzelder (20./Eigentor), 2:1 Hitzlsperger (43.), Zuschauer: 51.500 (ausverkauft)