Blind Dating (2)

Begegnung mit Henia L.

Vielleicht sollte ich vorsichtiger sein. Die meisten Leute mögen nicht, wenn über sie geschrieben wird, schon gar nicht privat. Da ist das Blogzeitalter noch nicht fortgeschritten genug. Das muss man sich vorstellen wie damals mit den Fotokameras, vor der digitalen Revolution. Da war es einerseits ganz was Besonderes, wenn man fotografiert wurde, und gleichzeitig fürchtete man sich davor. Die Menschen möchten sich nicht beobachtet, beschrieben, erkannt fühlen. Aber ich kann nicht anders.

Mit Henia (Name geändert, trotzdem toll) traf ich mich im Museum von Helmut Newton am Bahnhof Zoo. Sie sah gut aus, frisch, ein wenig ernsthaft. Wir schauten uns Kirsten Dunst in einer Glasglocke und den in einem Sessel dahinalternden Salvador Dalí an. Im oberen Stock gab es Fotografien aus dem chinesischen Alltag der letzten fünfzig Jahre; die Bilder trugen dämliche Unterschriften, Titel, die nicht mehr bezeichneten als das, was ohnehin im Bild zu erkennen war: „Frauen auf dem Marktplatz“, „Schwimmer“ oder „Begegnungen im Hotel“. Henia und ich hatten etwa das gleiche Tempo bei der Bildbetrachtung, was ich sympathisch fand. Später unten im Café trank ich den stärksten Espresso, den ich je hatte, sie trank eine rote Orangina, weil sie keinen Kaffee mochte.

Gewisse Orte, sagte ich zu ihr, würde es ohne Liebesanbandelungen gar nicht geben. Museumscafés etwa, Aquarien, Rummelplätze, botanische Gärten. Es gäbe auch weniger Kinos, sagte sie, und ob wir demnächst nicht in den Zoo gehen sollten, aber nicht in den mit Knut, in den anderen. Ich nickte stumm. Wir schlenderten noch eine Weile über den Ku’damm und schauten auf die Gedächtniskirche. Dann fuhren wir wieder in den Osten der Stadt. RENÉ HAMANN