Galerie zum Blättern

OPULENZ Kunst auf jeder Seite: „Kampfgeist“ ist die erste Ausgabe des „Idealisten“ – eines neuen Projekts auf dem Magazinmarkt, das zweidimensionale Galerie für noch nicht etablierte Künstler sein will

Der Schwerpunkt liegt auf Künstlern, die zurzeit in Berlin leben

VON NINA SCHOLZ

Das Kunstmagazin „Idealist“ trägt seinen Namen aus einem ganz bestimmten Grund: Es wurde aus dem Idealismus der Macher geboren. Doch ist das etwas Besonderes? Die meisten Magazine erscheinen in kleiner Auflage und werden ohne Verleger, Verlag und Startkapital, sondern mit enormem Herzblut erschaffen.

Nie sind so viele unterschiedliche und kreative Hefte erschienen wie aktuell, im Moment der größten Krise des Zeitschriftenmarktes. Das Format Magazin wird dabei freier denn je interpretiert. Die Auswahl in Berliner Magazinläden wie „Motto“ und „Do You Read Me“ scheint unendlich groß, im Internet ist sie noch größer; man kann dort neben den üblichen Formaten gefaltete und getackerte, aber auch hochformatige und glänzende Zeitschriften finden.

Doch der „Idealist“ sticht hervor: Das halbjährlich erscheinende Magazin kommt als großformatiger, weiß und edel eingebundener Bildband, als sogenanntes Coffeetable-Book daher. Journalist Martin Lewicki und Kurator Bimal Saha haben das Magazin als zweidimensionale Galerie für noch nicht etablierte Künstler gegründet. Die Arbeiten werden von den Künstlern exklusiv für den „Idealist“ angefertigt.

Zwar haben sich Papierwechsel als Stilmittel längst etabliert, doch der „Idealist“ lässt die Künstler, in einem gewissen Rahmen, das Papier, auf dem ihre Arbeiten gedruckt werden, selbst aussuchen. Somit können auch Fotografie, Malerei und Zeichnungen unterschiedlich behandelt werden.

Vertreten sind junge Künstler aus der ganzen Welt, der Schwerpunkt liegt allerdings auf denen, die zurzeit in Berlin leben. Der „Idealist“ ist eine Gruppenausstellung, doch im Gegensatz zu einer Galerie werden die Bilder nicht wieder abgehängt, der Leser kann sich Zeit lassen, immer wieder zurückkehren. Das eröffnet die Möglichkeit, auch solche Werke zu entdecken, die nicht sofort ins Auge springen. Damit hebt er sich von den meisten Bildbänden oder Ausstellungskatalogen ab; er fasst nicht zusammen, was gewesen ist, er blickt nach vorne.

Zweieinhalb Jahre haben Saha und Lewicki an ihrer Idee gebastelt, jetzt ist die erste, auf 5.000 Stück limitierte Ausgabe, die den Titel „Kampfgeist“ trägt, erschienen.

Das Cover ziert eine Agitprop-Faust mit einem Pinsel, 15 Künstler haben das Thema „Kampfgeist“ im weitesten Sinne interpretiert. Shinpea Naitos bunte, fast comichafte, naive Bilder legen erst auf den zweiten Blick eine düstere, bedrohliche Welt offen. Monja Gentschows Collagen dagegen sind Zwitterwesen aus Druckgrafiken, Schnipseln und Malerei. Sie geht vielleicht am direktesten auf die thematische Klammer ein. „Das Gegenteil beweisen!“, und „Hopp, hopp, hopp, Kampfgeist lauf Galopp“ ist dort zu lesen.

Unkritischer Kampfgeist

Es macht Spaß, den „Idealist“ durchzublättern. Zwischen den cleanen Buchdeckeln geht es variantenreich zu: Der Lichtkünstler Gian Spina hat seine Installationen auf die Fotografie übertragen und den fiktionalen Charakter „Lightman“ erfunden, der gegen die Dunkelheit und für das Licht kämpft. Das französische Künstlerduo Y Liver dagegen fordert auf ihren schwarz-weißen Bilder „Turn Off The Light“. Astrid Köppen ist die Künstlerin, die den Begriff vielleicht am weitesten fast. Ihre fragilen Zeichnungen muten naturwissenschaftlich an, sie selber war überrascht, dass sie zu diesem Thema beauftragt wurde und hätte das Thema selbst nicht mit ihrer Kunst in Verbindung gebracht.

Insgesamt ist es Bimal Saha gelungen, eine beeindruckende Anzahl unterschiedlicher Künstler in der ersten Ausgabe zu versammeln. Überhaupt repräsentiert der „Idealist“ einen Überfluss an Ideen, an Platz und relativer Entscheidungsfreiheit für die Beteiligten, er steht für Opulenz auf einem Magazinmarkt, der viele Produkte formell und inhaltlich immer mehr auf Pocketformat zusammenschrumpft.

So weit, so ideal. Allerdings ist der Ton, den die Redaktion anschlägt, der Wermutstropfen ihres Unternehmens. Der Idealist feiert eine „junge und potente“ Künstlergeneration und ihre „Leistungsbereitschaft, Kreativität, Offenheit, Risikofreude und vor allem Kampfgeist“. Bei allem Optimismus und bestimmt auch der Freude an der Arbeit hätte es dem „Idealist“ und seinen beiden Machern besser gestanden, die Umstände, die solch ein Projekt überhaupt erst bedingen, die Kehrseite und auch die Grautöne sowohl des Magazin- als auch des Kunstmarkts mit einzubeziehen. So viel Kampfgeist hätte es dann schon sein dürfen.

■ Idealist Issue 1: „Kampfgeist“, 100 Euro, zu beziehen über www.idealist-art.com