Kartoffelklau auf dem Gleisdreieck

Der interkulturelle Garten auf der innerstädtischen Brache hat Feinde. Zum dritten Mal wurde die mühsame Bepflanzung zerstört. Dabei erkennt der Senat dort die Arbeit als Beitrag zur Integration an

VON CATHERINE KIMMLE

Was seit über 20 Jahren im Großen nicht gelingt – nämlich das Gleisdreieckgelände in einen innerstädtischen Garten zu verwandeln –, ist im Kleinen längst geschehen. AnwohnerInnen und bosnische Flüchtlingsfrauen aus dem Verein „Südostkultur e. V.“ haben dem verdichteten Boden einen „interkulturellen Garten“ abgetrotzt. Mitten in dem von Rainfarn überwucherten Gelände haben sie ihre Beete gehegt, die Erde ausgetauscht, Mais und alte Kartoffelsorten gepflanzt.

Aber der interkulturelle Garten hat Feinde. Vor zwei Tagen wurden alle Kartoffelpflanzen ausgerissen und geklaut. Es ist bereits die dritte Attacke auf den Garten in diesem Jahr.

Als ökologische Kompensation zur Bebauung am Potsdamer Platz trat die Bahn AG einen Teil des Gleisdreieck-Areals an das Land Berlin Anfang der 90er-Jahre ab. Von einer Bebauung rieten Umweltgutachter ab, stattdessen wurde ein Park vorgeschlagen. Die genaue Nutzung ist noch umstritten. Dort, wo die Arbeitsgemeinschaft Gleisdreieck etwa seit Jahren die Erde urbar macht, will der Senat einen Bolzplatz.

Ob die Gartenvandalen mit diesen Differenzen etwas zu tun haben, ist Spekulation. Die Frauen der Gartengruppe sind jedenfalls deprimiert: „Nun müssen wir erst einmal sehen, was wir nachpflanzen können“, klagt Begzada Alatovic.

Die Gartengruppe ist nur eine unter mehreren Initiativen und Vereinen der AG Gleisdreieck: Da gibt es zudem eine „Bewegungsbaustelle“ für Kinder, den Naturerlebnispfad, Versuchsfelder des Ökowerks e. V. mit altem Saatgut oder die Galerie der Wildkräuter. „Ziel ist es, auf dem ehemaligen Bahngelände einen bürgernahen Park entstehen zu lassen, in dem sich Menschen verschiedenster Kulturen austauschen und gemeinsam etwas schaffen“, sagt Christophe Kotanyi. Er ist seit acht Jahren in der AG Gleisdreieck.

In Berlin gibt es bisher ein Dutzend interkulturelle Gärten. Gärtnern sei so was wie eine universelle Sprache, sagt Kotanyi. „In Berlin ist ein Großteil der Bevölkerung ohne Arbeit. Gerade diese Menschen finden in den Gärten eine Art sozialer Integration, die mit Beschäftigung einhergeht.“ Das sehe mittlerweile auch der Senat so, meint Kotanyi.

Bleiben der Kartoffelklau und die wiederholten Zerstörungen am Gleisdreieck-Garten. Noch versuchen alle Beteiligten, nicht in Alarmismus zu geraten. Die Attacken seien von marginaler Größe im Vergleich zu dem, was schon erreicht wurde, sagt Bosiljka Schedlich vom Zentrum „Südostkultur e. V.“. Hier könne jeder mitarbeiten, auch Kinder. Manche erleben zum ersten Mal, wie etwas angepflanzt wird. Und selbst das Jobcenter vermittle ihnen Arbeitskräfte.