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Triumph der VerkäuferKOMMENTAR VON MALTE KREUTZFELDT

Chapeau! Innerhalb von nur 48 Stunden hat Angela Merkel das Klima, Afrika und den Weltfrieden gerettet. Auch ihre Kollegen stehen als Sieger da: George W. Bush ist nicht länger isoliert, sondern freundschaftlich integriert. Tony Blair sichert sein Vermächtnis als Kämpfer gegen die weltweite Armut. Und Wladimir Putin erscheint nicht mehr als Kriegsdroher, sondern als Oberdiplomat.

Leider muss die Gratulation weniger den Regierungschefs und ihrem Abschlussdokument als vielmehr ihren PR-Beratern gelten. Denen ist es gelungen, den Gipfel trotz fehlender Substanz als Erfolg zu verkaufen. Zunächst haben sie die Erwartungen im Vorfeld möglichst niedrig gehängt, damit jegliche Einigung, egal auf was, als positive Überraschung durchgeht. Anschließend verkündeten sie großartige Fortschritte, wo es in Wahrheit keine gibt.

Die Klimaeinigung vermeidet jede verbindliche Festlegung und verfehlt Merkels ursprüngliches Ziel damit komplett. Die Zusagen für Afrika wiederholen lediglich die bisher nicht gehaltenen Versprechen des Gipfels von Gleneagles. Zur Aids-Bekämpfung werden zwar beeindruckende Zahlen genannt, doch ein konkreter Zeitrahmen fehlt. Über die angekündigte Regulierung der spekulativen Hedgefonds redet keiner mehr. Und wirtschaftspolitisch hält die G 8 an ihrem harten Kurs gegen den Süden fest. „Schutz des geistigen Eigentums“ heißt übersetzt: „Ausschluss des Südens von preiswerten Medikamenten und moderner Technologie“ – auch wenn man mit ausgewählten afrikanischen Staatschefs freundlich darüber plaudert.

Neben den inszenierten Szenen der Vertraulichkeit am Ostseestrand prägt noch ein weiteres Bild diesen G-8-Gipfel: zehntausendfacher fröhlicher Protest am Zaun. Mit den gelungenen Sitzblockaden hat es die globalisierungskritische Bewegung geschafft, nach den Ausschreitungen vom Auftakt viel Sympathie zurückzugewinnen. Dass einige Polizei-Aussagen sich als falsch herausstellten und ein vermummter Demonstrant als Zivilpolizist enttarnt wurde, trägt zur Glaubwürdigkeit der Bewegung bei. Trotz aller Kritik werden uns die G-8-Gipfel also erhalten bleiben: Als PR-Termin sind sie für alle Beteiligten unverzichtbar.

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