Alleskönnerin im Vorstand

Wenn der Begriff nicht so despektierlich wäre, müsste man Claudia Nemat als eierlegende Wollmilchsau vorstellen. Schließlich kann sie alles: den Job als Europachefin der Deutschen Telekom AG, den ihr Vorstandschef René Obermann zugedacht hat. Den Imageeffekt bringen, den sich Obermann vom Umbau seines Leitungsgremiums mit einem deutlich höheren Frauenanteil erhofft. Und damit auch: Werbung machen für die Sache, also für mehr Frauen an der Spitze.

Die 42-Jährige vereint alle wichtigen Anforderungen in sich. Sie ist jung, bringt aber jede Menge Führungserfahrung mit. Sie kennt sich in der Branche aus, hat aber auch viel zu Genderfragen gearbeitet. Zuletzt war sie Direktorin bei McKinsey und damit auf der höchsten Leitungsebene angelangt, die die Unternehmensberatung zu bieten hat. Sie war verantwortlich für den Hightechsektor in Europa, im Mittleren Osten und Asien. Zu ihren Kunden gehörte auch die Telekom-Tochter T-Systems. Kein Wunder, dass der Telekom-Aufsichtsrat von ihr begeistert ist.

Außerhalb der Branche ist Nemat zuletzt, noch unter ihrem Mädchennamen Funke, allerdings vor allem damit aufgefallen, dass sie untersucht hat, welchen Nutzen mehr Frauen in den Konzernspitzen bringen. Und das in „einer Sprache, die Topmanager verstehen“, wie sie sagt: bessere Ergebnisse, höhere Renditen, steigende Kurse. Auf das Thema kam die studierte Physikerin, die zwei Kinder hat, weil sie auf Branchentreffen oft die einzige Frau war – „das nervt“.

Die Studien zeigten: Damit Frauen tatsächlich etwas bewegen, ist ein kritischer Anteil erforderlich. Laut Nemat liegt der bei 30 Prozent. Dass sich die Telekom AG bereits im Frühjahr 2010 genau diese Quote bis 2015 verordnete, ist auch ihrer Forschungsarbeit zu verdanken.

BEATE WILLMS