Keine Antwort auf die große Fragen

Die Zukunftswerkstatt „Perspektive Bremen“ hat vorgeführt, wie viel Engagement in der Gesellschaft verborgen ist

Drei lange Stunden haben rund 150 BremerInnen am Freitag nach Feierabend in der oberen Rathaushalle vor 50 Laptops geschwitzt – der Unternehmensberater Peter Kruse hatte zur „Zukunftswerkstatt Perspektive Bremen“ eingeladen. Am Donnerstag hatte die Versammlung in einem ersten dreistündigen Marathon mehr als 200 Ideen gesammelt und bewertet, das Team von Kruse hatte daraus über Nacht 33 „Projekte“ destilliert.

Das Ergebnis ist ein Paket von vier Megabyte an Texten. Für Kruse zeigt das Verfahren, wie viel Potenzial in der bremischen Gesellschaft aktiviert werden könne – wenn man wolle. Und wenn man das Computerprogramm „nextexpertise“, das seine Firma entwickelt hat, nutzt, um die „kollektive Intelligenz“ zu vernetzen und zu aktivieren.

Unter den 33 Projekten finden sich die klassischen Unternehmer-Forderungen wie „Steuerfreiheit für die ersten beiden Gewinnjahre“ für neu gegründete Unternehmen oder „Abbau von Bürokratie“ – klar. In der Überzahl waren aber sozial- und bildungspolitische Projekte. Ausgearbeitet wurde zum Beispiel die Idee, aus den Schulen „Orte der Begegnung und Bildung für alle Generationen im Stadtteil“ zu machen. Sie könnten „Zentrum für Bildung aller Art, des nachbarschaftlichen Engagements“ werden, heißt es, ihre Infrastruktur – Aula, Sportplätze, Werkstätten – dafür öffnen.

In Sachen „Verbesserung der gesellschaftlichen Integration“ wurden „Foren“ gefordert, „in denen die Leute zueinander finden“, konkret: „Wir brauchen einen Heiratsmarkt.“ Die Frauenfraktion war zahlenmäßig in der Minderheit. Quotierung und Gender Budgeting kamen dennoch auf die Liste, ebenso wie das Projekt „Seitenwechsel“: „Jeder Mann muss eine festgelegte, nicht zu kurze Zeit den Lebensalltag einer Frau einnehmen und jede Frau übernimmt die entsprechende Zeit einen männlich dominierten Alltag.“

Die „kreativen“ Berufe in Bremen beschwerten sich sichtbar darüber, dass unter anderem das Bremer Theater sich auswärtiger Agenturen bediene. Und aus dem Manager-Lager kam die Forderung, gezielter die Akquisition von internationalen Ansiedlungen zu fördern. „Warum bauen zwei asiatische Automobilhersteller ihre Europazentralen und Entwicklungszentren in Frankfurt und nicht in Bremen?“

Auf der Tagesordnung stand zwar auch das Thema „10.000 neue Arbeitsplätze für Bremen“. Offenbar war das Team, das daran arbeitete, von der Frage aber überfordert. Ergebnis jedenfalls war der Vorschlag eines Workshops von „50 Unternehmern, 20 Arbeitslosen und zehn Fachleuten aus Arbeitsverwaltung und Wirtschaftsförderung“, die diese Aufgabe lösen sollten – unter der Annahme, dass ein Drittel der Kosten für die 10.000 Arbeitsplätze staatliche subventioniert wird. Die Teilnehmer der Zukunftswerkstatt haben in den sechs Stunden nicht die Antworten auf die Fragen gefunden, an denen die Politik seit Jahren vergeblich arbeitet. Aber das war auch nicht zu erwarten. Am Ende wurden Adressen ausgetauscht – in der Hoffnung, dass einige Teams weiterarbeiten.

Klaus Wolschner