Die 4-Milliarden-Euro-Show

Gerechter, effizienter, transparenter: Bei der Vergabe der EU-Mittel soll ab heute alles besser werden, verspricht die Landesregierung. Der DGB befürchtet die Benachteiligung armer Regionen

VON KLAUS JANSEN
UND MORITZ SCHRÖDER

Wer vier Milliarden Euro zu verteilen hat, legt wert auf eine schicke Location. Die polnische EU-Regionalkommissarin Danuta Hübner und Nordrhein-Westfalens CDU-Wirtschaftsministerin Christa Thoben haben deshalb das Alte Kesselhaus im Düsseldorfer Norden dem Landtagsgebäude vorgezogen, um heute das Rennen um den größten öffentlichen Geldbatzen zu eröffnen, der in den kommenden sechs Jahren im Land zu verteilen ist.

Thoben will in diesem Jahr 17 Wettbewerbe in Zukunftsbranchen wie der Energiewirtschaft, der Logistik oder der Medizintechnik ausschreiben, um die insgesamt rund vier Milliarden Euro für die Ziel-2-Regionalförderung sowie die Sozial- und Landwirtschaftsförderung zu verteilen. Dabei soll es möglichst gerecht zugehen: „Maximale Transparenz“ verspricht Martin Hennicke, Leiter der Verwaltungsbehörde für das Ziel-2-Programm im NRW-Wirtschaftsministerium. Der FDP-Wirtschaftspolitiker Dietmar Brockes kündigt ein „permanentes Monitoring“ an: „Wir wollen nicht so oft wie früher auf die Nase fallen“, sagt er.

Die schwarz-gelbe Landesregierung hat sich vorgenommen, aus den Fehlern ihrer Vorgänger zu lernen: Glaubt man den jüngsten Erkenntnissen von Staatsanwälten und Rechnungsprüfern, dann sind in den vergangenen Jahren landesweit Fördermittel nahezu flächendeckend in undichte Kanäle abgeflossen. Nicht nur im Umfeld der Fachhochschule Gelsenkirchen (taz berichtete) ist es Professoren oder Jungunternehmern gelungen, Subventionen in die eigene Tasche abzuzweigen. Verhindert werden soll dies künftig durch ein öffentliches Schaulaufen der konkurrierenden Projekte: „Die Vergabe nach Wettbewerb war die Idee unserer Regierung“, sagt Joachim Neuser, Sprecher im Wirtschaftsministerium.

Tatsächlich ist es auch die EU, die ein Ende der Förderung nach Postleitzahl vorschreibt: Die alten Ziel-2-Regionen im Ruhrgebiet oder dem strukturschwachen Kreis Heinsberg sind seit dem Jahreswechsel aufgelöst, künftig können Projekte in jeder Stadt um das Geld konkurrieren. Während das Wirtschaftsministerium darin die Beseitigung eines „Webfehlers“ sieht, fürchtet der nordrhein-westfälische DGB-Chef Guntram Schneider, dass ärmere Kommunen künftig benachteiligt werden: „Düsseldorf wird besser da stehen als Bottrop“, sagt er. Denn die Chancen, einen erfolgreichen Förderantrag zu stellen, seien im Land sehr unterschiedlich verteilt. Vor allem im Ruhrgebiet, das nach Meinung der Landesregierung keine Bevorzugung bei den Subventionsgeldern mehr braucht, würden Städte Probleme haben, eigenes Geld zu akquirieren, befürchtet Schneider.

Für einige Regionen könnte deshalb die Landesstrategie zur Bekämpfung des Missbrauchs zum Bumerang werden: Um es Glücksrittern zu erschweren, mit wenig privatem Risiko öffentliches Geld einzustreichen, wird von den Antragsstellern künftig mehr Vorleistung als bisher erwartet. „Eine Eigenbeteiligung ist nicht Pflicht, aber sie wird sicher ein entscheidendes Kriterium bei der Auswahl der Projekte“, sagt Thoben-Sprecher Neuser.

Die Opposition im Landtag sieht die Transparenz-Offensive der NRW-Regierung bis jetzt noch kritisch: „Da steckt viel Lyrik drin“, sagt die grüne Wissenschaftsexpertin Ruth Seidl. Zwar sei es richtig, auf mehr Wettbewerb zu setzen – allerdings wüssten viele Städte bisher noch nicht, wie genau die Bewerbungskriterien aussehen würden. DGB-Landeschef Schneider fürchtet zudem, dass der Einfluss der Wirtschaft durch die Industrie- und Handelskammern zunehmen wird. Denn das bisherige Konsensprinzip, nach dem vor Ort in Zusammenarbeit etwa von Stadt, Gewerkschaften und der Wirtschaft über mögliche Anträge entschieden wurde, ist seit diesem Jahr nicht mehr verpflichtend. „Die IHKs gelten in der Landesregierung als neutraler Ansprechpartner und werden ein größeres Gewicht haben“, sagt Schneider. Ziel-2-Verwaltungschef Hennicke verspricht allerdings, dass regional abgestimmte Anträge im Wettbewerb bevorzugt behandelt würden: „Die haben einfach eine größere Durchschlagskraft.“