Die Konterrevolution ist im Gange

GEBURTSTAG Zum 60. des Goethe-Instituts bat der tunesische Demokrat Fadhel Jaïbi um Unterstützung

Bildung und Kultur seien die beiden Schienen, die zur Demokratie führen könnten, aber der Kampf sei noch nicht gewonnen

Reden eines deutschen Außenministers hört man beim Goethe-Institut mit gewappneter Aufmerksamkeit zu. „Es ist uns eine Ehre und Freude, dass Sie diesen Anlass mit Ihrer Rede nobilitieren“, so drückte es Klaus-Dieter Lehmann, der Präsident des Institutes, an Guido Westerwelle gewandt aus. Die größte deutsche Kulturvermittlungsinstanz feierte am Mittwochabend in Berlin ihren 60. Geburtstag.

Es geht auch um handfeste Dinge an diesem Abend. Unter Außenminister Joschka Fischer erlebte das Goethe-Institut sparbedingt eine Strukturkrise. Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte sich dagegen in die auswärtige Kulturpolitik geradezu verliebt und hob ihren Etat wieder an. Mal sehen also, was sich Westerwelle, der bei Kulturvermittlung ja lange Zeit gern links-bohemistisches Establishment witterte, für diesen Abend vorgenommen hatte.

Man kann feststellen: Er hatte sich vorgenommen, interessiert, engagiert und zugewandt zu sein, und er setzte dieses Vorhaben im Rahmen seiner Möglichkeiten auch ziemlich gut um. Er sprach nicht nur von der Berechtigung deutscher Interessen, sondern auch vom „Wollen kultureller Vielfalt“. An China gewandt und Ai Weiwei erwähnend, sagte er, Freiheit bestehe nicht allein darin, nicht im Gefängnis zu sein. Er sagte, dass es keinen strukturellen Gegensatz zwischen Islam und Demokratie gebe. Die dänischen Grenzkontrollen geißelte er als „schweren Fehler“. Und insgesamt bekannte er sich deutlich zum Goethe-Institut und der Wichtigkeit auswärtiger Kulturpolitik.

Mehr kann man im Grunde nicht erwarten. Dennoch hatte Westerwelles Rede etwas von einem taktischen Manöver; er hat halt eingesehen, dass es nicht gut kommt, sich gegen Kulturvermittlung zu profilieren. Und sein Plädoyer, die Grenzen und die Herzen den nach Deutschland Einwandernden zu öffnen, nahm man ihm sowieso nicht recht ab.

Nach Westerwelle sprach der tunesische Theater- und Filmregisseur Fadhel Jaïbi; er sprach 20 Minuten lang frei und den Goethe-Mitarbeitern aus dem Herzen. Jaïbi, ein intellektueller Vorarbeiter der tunesischen Revolution, bezeichnete das Institut als „Gegengift gegen Diktaturen“. Er sprach von dem Glück, reisen zu dürfen, und verband das mit einer harschen Kritik der Abschottungspolitik der EU; die Flüchtlingsdramen in Lampedusa stellten Europa derzeit ein schlechtes Zeugnis aus. Und er rief leidenschaftlich zur Unterstützung der Umwälzungen in Nordafrika auf. „Die Konterrevolution ist im Gange.“ Bildung und Kultur seien die beiden Schienen, die vielleicht zur Demokratie führen könnten, aber dieser Kampf sei noch nicht gewonnen.

So gab es in dieser Feierstunde höflichen und befriedigten Applaus für Westerwelle und herzlichen Applaus für Fadhel Jaïbi. Und das Goethe-Institut kann seine Arbeit gut fortsetzen.

DIRK KNIPPHALS