DIE KORRUPTIONSAFFÄRE IN SACHSEN HOLT DEN KANZLERAMTSMINISTER EIN
: Die im Dunkeln sieht man nicht

In Leipzig fanden sich in den Neunzigerjahren ein paar illustre Männer zusammen. Männer aus dem Westen, die zu Hause nicht weiterkamen. Mittelständler, die ihre schmierigen Geschäfte von Bayern nach Sachsen übertragen wollten. Aber auch wendige Ostdeutsche, die genauso gierig und schlau waren wie die Zugezogenen. Sie bildeten eine Clique, wie dies anderswo auch schon vorgekommen ist: Sie besetzten wichtige Posten. Sie taten sich einen Gefallen, wenn Gegengefallen winkten. Sie rauchten teure Zigarren und zogen ins Bordell. In Leipzig soll es jedoch so weit gegangen sein, dass die Herren Jugendliche missbrauchten.

Zwangsprostitution von Minderjährigen ist nicht nur strafbar und grässlich. Die Clique einflussreicher Männer könnte sich dadurch auch erpressbar gemacht haben. Genau deshalb haben Verfassungsschützer Informationen gesammelt, doch passiert ist jahrelang nichts. Weil die Recherchen nicht zuverlässig oder umfangreich genug waren. Oder aber, weil die Ermittler von Vorgesetzten gebremst wurden. Nun sind Bruchstücke an die Öffentlichkeit gelangt. Aber wie wenig belastbar sie sind, zeigt sich daran, dass kaum jemand namentlich beschuldigt wird. Die Staatsanwaltschaft nimmt sich die Akten jetzt vor, bald wird der Landtag einen Untersuchungsausschuss einrichten. Beides ist richtig, aber beides wird dauern.

Deshalb verlagert sich der Blick auf einen, der in der Öffentlichkeit steht: Kanzleramtschef Thomas de Maizière. Er war als Innenminister in Dresden für den Verfassungsschutz verantwortlich und wurde von ihm über Beobachtungen in Leipzig unterrichtet. De Maizière hat jedoch die Justiz nicht eingeschaltet und hielt es auch für besser, vor dem Kontrollgremium des Landtags zu schweigen.

Auch hier gibt es zwei Varianten: Die Recherchen waren zu dünn. Oder aber, der Minister hat gebremst. Das kann man nur beurteilen, wenn man weiß, was er wusste. Er selbst sagt, es habe die nötige Erkenntnisdichte gefehlt, mehr dürfe er nicht sagen. So wird der Druck weiter auf ihm lasten. Sein Fehler war, dass er die Entscheidung über die Qualität der Akten nicht dorthin gegeben hat, wo sie hingehört hätte: an die Justiz.

GEORG LÖWISCH