Einlagen verschreiben statt mitentscheiden

RÜCKTRITT Brandenburgs CDU-Landesvorsitzender Michael Schierack wird nicht Oppositionsführer

Viele CDUler glaubten, der Fraktionschef hänge zu sehr an seiner lukrativen Arztpraxis

BERLIN taz | Sein Abgang kam dann doch plötzlich: Unmittelbar vor Beginn einer Sitzung des Landesvorstands am Mittwochabend gab CDU-Landeschef Michael Schierack bekannt, er gehe jetzt einen Schritt zur Seite. Schierack gab seinen Posten als Fraktionsvorsitzender auf. Brandenburgs größte Oppositionspartei musste rasch einen neuen Fraktionschef suchen. Und fand ihn: Schieracks Nachfolger wird Ingo Senftleben, der seit 15 Jahren im Landtag sitzt.

In den vergangenen Wochen war der parteiinterne Druck auf den 47-jährigen Schierack gewachsen. Nach den Sondierungsgesprächen Ende September hatte Ministerpräsident Dietmar Woidke, SPD, die Regierungsbildung mit der CDU für gescheitert erklärt – und damit eine Führungskrise in der CDU ausgelöst. Grund war Woidkes öffentliche Begründung: Er zweifele an der Führungsstärke der CDU, weil Schierack ihm gegenüber einen Posten im Kabinett abgelehnt habe. Brandenburgs CDU-Chef Schierack verteidigte sich: Über Personalfragen sei während der Sondierungen nicht gesprochen worden. Doch das Scheitern der Regierungsbildung wurde Schierack allein angelastet. Viele in der CDU glaubten zudem, der Fraktionschef hänge zu sehr an seiner lukrativen Arztpraxis in Cottbus und verschreibe lieber Schuheinlagen, statt Brandenburg zu regieren. Laut Ministergesetz darf man kein Gewerbe haben.

Sein Amt als CDU-Landesvorsitzender will der Orthopäde Schierack aber behalten. Es gebe derzeit keinen Grund, auch über einen Wechsel an der Partei-Spitze zu diskutieren, verteidigte ihn die Generalsekretärin der brandenburgischen CDU, Anja Heinrich, im rbb.

Dass die SPD schließlich entschied, das Bündnis mit der Linken fortzusetzen, lag jedoch nicht nur an Schieracks Wankelmut. Woidke begründete die Wahl vor allem mit „ grundlegendem Vertrauen“ und dem „gemeinsamen Kernziel, bessere Wirtschaft durch gerechtere Löhne zu schaffen“.

Am Tag von Schieracks Amtsverzicht war Ministerpräsident Woidke in seinem Amt bestätigt worden. Schierack zeigte sich als CDU-Landeschef wieder kämpferisch: „Die CDU werde alles dafür tun, weitere fünf Jahre des Stillstands zu verhindern.“

Bevorstehende Streitpunkte sind der Einstieg des Landes in das Lausitzer Braunkohlegeschäft von Vattenfall. Spannend wird auch, wie die CDU sich der AfD gegenüber verhält, die ebenfalls im Landtag sitzt.

Schieracks Nachfolger Ingo Senftleben gilt schon länger als Strippenzieher in der CDU-Fraktion. Der 40-jährige Bildungsexperte aus Ortrand ist unter anderem Mitglied im Braunkohleausschuss des Landes und Förderverein-Vorsitzender eines Gymnasiums in der Lausitz.

DENA KELISHADI