600 Milliarden aus aller Welt

„Was Luxemburg gemacht hat, war okay“

XAVIER BETTEL, MINISTERPRÄSIDENT

Ihr „Mia san mia“ heißt: „Mir wëlle bleiwe wat mir sinn.“ Luxemburg, ein von Frankreich, Belgien und Deutschland umgebener Zwergstaat, wollte schon immer unabhängig bleiben, genau wie Bayern. Und mit ihrem Leitspruch sind auch die Lëtzebuerger immer gut gefahren.

Zwar ist das letzte Großherzogtum der Welt zwar nicht einmal so groß wie das Saarland. Aber es ist viel reicher. Mit einer Wirtschaftsleistung von 85.000 Euro pro Jahr und Bürger hat es mehr als doppelt so viel wie Deutschland – und liegt an der Weltspitze.

Das hat mit einem rasanten Strukturwandel zu tun: Noch im Jahr 1970 gründete sich die Wirtschaft vor allem auf die Stahlindustrie. Die machte etwa 45 Prozent des luxemburgischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus, die Finanzbranche kam damals nur auf etwa 2 Prozent. Heute gibt es in Luxemburg 147 Banken aus der ganzen Welt – und die Finanzbranche trägt rund 40 Prozent zum BIP bei. Der Anteil des Stahls sank auf unter 10 Prozent.

Und nicht nur das: Aus der ganzen Welt haben sich Konzerne in Luxemburg angesiedelt. Deren Filialen sind aber häufig nur Kleinstbüros mit einer Aufgabe: Steuern der Unternehmen dort, wo sie tatsächlich erwirtschaftet werden, zu vermeiden. Das geht so: Als Zinsen, Dividenden oder Lizenzen getarnt werden Gewinne über das Finanzzentrum Luxemburg geleitet, durch „Steueroptimierung“ fallen dort kaum Abgaben an. Laut den neuesten Recherchen des internationalen Journalistenkonsortiums ICIJ haben 350 Konzerne – von Amazon bis Eon, von Deutscher Bank bis Vodafone – in den vergangenen Jahren so Milliarden „gespart“. Selbst der nationale Pensionsfonds Südkoreas machte mit.

Was genau zu tun war, erfuhr man durch Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers – mit Wissen des Luxemburger Finanzamts. Der Kleinstaat hat zwar mit etwa 550.000 nur etwa so viele Einwohner wie Leipzig – beherbergt aber fast so viele Fonds wie die USA. Insgesamt bunkern Luxemburgischen Investmentfonds rund 600 Milliarden Euro aus aller Welt.

Ministerpräsident Xavier Bettel verteidigte am Donnerstag das Vorgehen seines Landes. „Was Luxemburg gemacht hat, war okay.“ Großherzog Henri von Nassau, 59, schwieg zu den Vorwürfen. Laut US-Magazin Forbes besitzt der studierte Politologe ein Privatvermögen von 4,6 Milliarden Euro. KAI SCHÖNEBERG