Verfassungsbruch der US-Regierung

Die US-Regierung darf einen seit 2001 in den USA einsitzenden Mann aus Katar nicht länger als „feindlichen Kämpfer“ festhalten, entscheidet ein Bundesberufungsgericht. Aus seiner Einzelhaft freigelassen wird der 41-Jährige trotzdem nicht

VON BERND PICKERT

Im Streit über den Umgang mit gefangenen mutmaßlichen Al-Qaida-Mitgliedern hat die US-Regierung erneut eine juristische Niederlage erlitten. Am Montag urteilte ein Bundesberufungsgericht in Richmond, dass die Haft des 41-jährigen Ali al-Marri aus Katar, der seit 2001 in den USA einsitzt, rechtswidrig ist.

Das US-Militär hält al-Marri als „feindlichen Kämpfer“ fest, ohne je eine Anklage gegen ihn erhoben oder ihm die Gelegenheit zur Haftüberprüfung gegeben zu haben. Diesen Zustand erklärten die Richter für illegal: Die Regierung müsse al-Marri entweder unter Anklage für ein konkretes Verbrechen stellen, ihn aus dem Land deportieren oder aber ihn als Zeugen in einem Strafverfahren gegen Dritte festhalten. „Aber die Militärhaft al-Marris muss aufhören“, schrieb Richterin Diana Gribbon Motz in der Mehrheitsmeinung des Urteils. Die US-Regierung hat angekündigt, in vollem Umfang Berufung einzulegen. Al-Marri sitzt vorerst trotz des Richterspruches bis auf Weiteres in Einzelhaft in Charleston, South Carolina.

Ali al-Marri war am 10. September 2001, einen Tag vor den Anschlägen auf New York und Washington, gemeinsam mit seiner Frau und seinen fünf Kindern legal in die USA eingereist und hatte begonnen, an der Bradley University Informatik zu studieren. Am 12. Dezember 2001 wurde er unter dem Vorwurf festgenommen, ein von al-Qaida in die USA eingeschleuster „Schläfer“ zu sein. Er sei in einem Al-Qaida-Ausbildungslager in Afghanistan trainiert worden und habe im Sommer 2001 persönlich Chalid Scheich Muhammed getroffen – jenen Mann also, den die US-Regierung als „Mastermind“ der Anschläge vom 11. September bezeichnet, jahrelang in geheimen CIA-Gefängnissen festgehalten und inzwischen nach Guantánamo überstellt hat. Al-Marri hat die Vorwürfe stets bestritten. Auch Familienangehörige in seiner Heimat dementierten gegenüber Journalisten telefonisch, dass al-Marri mit al-Qaida irgendetwas zu tun habe.

Die Verhaftung al-Marris in den USA erfolgte nicht auf Anweisung eines Staatsanwaltes oder Richters, sondern auf direkte Anweisung des Präsidenten, der sich das Recht vorbehielt, „feindliche Kämpfer“ persönlich zu benennen. Mit diesem Verfahren, so die Regierungsargumentation, brauche die Justiz keine konkreten Verdachtsmomente vorzulegen – die Menschen seien ja auch nicht zur Bestrafung in Haft, sondern damit sie nicht wieder aufs Schlachtfeld zurückkehrten. Al-Marri ist der einzige Gefangene auf dem US-Festland, der noch als „feindlicher Kämpfer“ festgehalten wird.

Die Richter in Richmond sehen in diesem Verfahren einen schweren Widerspruch zur US-Verfassung. Der Präsident könne, wenn dieses Verfahren als legal bewertet werde, jeden einzelnen der mehr als 20 Millionen in den USA lebenden ausländischen Staatsbürger ohne Angabe von Gründen verhaften und auf unbestimmte Zeit gefangen halten lassen, ohne dass der die Möglichkeit auf Rechtsmittel habe. Das stehe allen Grundgedanken der Verfassung entgegen.