piwik no script img

„Frontex allein reicht nicht“

MAUERN Martin Sonneborn: Ungebremster Kapitalismus fährt ohne Mauer gegen die Wand

Martin Sonneborn

■ 49, ist Parteichef der Partei „Die Partei“, Grimmepreisträger und Abgeordneter im Europäischen Parlament.

taz: Herr Sonneborn, die GDL hätte es fast geschafft, die opulenten Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des Mauerfalls erfolgreich zu sabotieren. Gibt es einen Grund, zu feiern?

Martin Sonneborn: Überhaupt nicht! Deswegen bin ich ja auch gerade auf Lesungsreise, weil wir diesen Tag als ganz normalen Arbeitstag begreifen.

Ihr feiert ja nicht nur nicht, Die Partei fordert in ihrem Parteiprogramm die Mauer ja sogar zurück! Warum?

Ursprünglich haben wir das 2004 gefordert, wegen der offensichtlichen Kluft zwischen West und Ost. Das ist inzwischen Geschichte. Deswegen haben wir uns eine neue Begründung ausgedacht: Wir brauchen die Mauer, um im Osten ein neues kommunistisches Schreckensregime zu errichten, als Abgrenzungsrealität (AGR) zum Kapitalismus in Westdeutschland, der ohne Gegner total aus dem Ruder läuft.

Wie muss eine Mauer heute aussehen? Wo soll sie stehen?

Die neue Mauer muss auf der alten Grenze stehen. Das Know-how holen wir uns aus Israel, das zurzeit führend in der Ästhetik des Mauerbaus ist.

Reicht Frontex nicht aus?

Frontex ist eine Mauer um Europa, die den Kapitalismus schützt. Wir brauchen aber eine innereuropäische Mauer, um den Wettbewerb der Systeme wiederherzustellen! Es ist ja auch interessant, zu sehen, dass es zu DDR-Zeiten eher Hunderte Mauertote gab, an den EU-Außengrenzen sind es Tausende.

Ist das die Schuld des Kapitalismus? Exponentieller Anstieg der Mauertoten?

Auf jeden Fall! Genau deswegen müssen wir ja zur Mauer zurück. Europa braucht diese Mauer – als Konzept in Europa, für Europa. INTERVIEW: OLIVER REIMER

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen