Die Verkäuflichen

Die Uni Witten-Herdecke steht kurz vor der Übernahme. Pleite und verstritten geht es jetzt um die letzten Ideale

„Es geht nicht mehr“, sagte Wolfgang Glatthaar, Präsident von Deutschlands ältesten Privat-Uni im Februar. Dieser Satz wird jetzt akut. Bis Ende des Monats will die Uni neue Gesellschafter, über das Sonst spricht zur Zeit kein Uni-Offizieller mit Journalisten.

Sonst ist nämlich das Ende der Reformuniversität. Sie hat 12 Millionen Miese bei 36 Millionen Euro Budget. Von der Hand in den Mund, ein Drittel des Budgets wird irgendwie eingeworben – so hat die Uni seit ihrer Gründung 1982 gewirtschaftet. Mal gab es mehr Forschungsgelder, mal eine Großspende. Im letzten Jahr gab es weniger. Und viel schlechte Presse.

Schlechte Lehre und Forschung bescheinigte der Wissenschaftsrat 2005 und wollte ausgerechnet der Humanmedizin die Akkreditierung entziehen. Ohne sie drohte die Schließung der Fakultät – Herzstück und Existenzgrund der Uni, die gegründet wurde, um die Medizinerausbildung zu revolutionieren. Mehr Praxis statt abstrakten Seminaren – damit wurde das Wittener Modell europaweit bekannt. Es darf bleiben, weil künftig mehr Professoren mehr forschen. „Finanziell hat uns die Geschichte sehr geschadet“, sagt Uni-Sprecher Dirk Hans.

Retten sollen neue Hauptgesellschafter. Vor allem die Stiftung Rehabilitation Heidelberg (SRH) ist der Hoffnungsträger der Universität – oder eher: ihrer Leitung. Studierende und auch einige Mitarbeiter sehen in der SRH, die bundesweit fünf Fachhochschulen und sieben Krankenhäuser betreibt, eine Gefahr. Der Ausverkauf von den Uni-Idealen Freiheit und Eigenverantwortung stehe bevor, heißt es in Zeitungsinterviews. Sowieso kommt das jetzige Direktorium und seine Entscheidungen nicht gut an. Zwei Dekane und der Gründungsrektor Konrad Schily gingen im Streit. Ein Verein aus Lehrenden und Studierenden – die „Verantwortungsgemeinschaft“ mit mehr als 500 Mitgliedern – will die Gesellschafteranteile und auch das Direktorium übernehmen.

Ihr Wunschfinanzier, die Darmstädter Software AG, hat allerdings am Montag ihr Angebot zur Uni-Übernahme zurückgezogen. „Wir werden betriebswirtschaftlich aufräumen“, sagt SRH-Sprecher Nils Birschmann. Alle Gesellschafter sollen künftig eigenes Kapital einsetzen, um wirtschaftlich mitzureden. „Wir haben den Studierenden angeboten, ihnen das Geld vorzuschießen.“ MIRIAM BUNJES