Steinkohle-Einigung stiftet Freude im Land

„Die Quälerei ist vorbei“: Nach dem Kompromiss von Berlin gibt es in Nordrhein-Westfalen fast nur Sieger

Jürgen Rüttgers: Der Ministerpräsident bleibt auch in Zukunft der starke Mann im Land. Mit aller Macht hat der Christdemokrat RAG-Chef Werner Müller als Stiftungsvorsitzenden verhindert. Die Einigung nannte Rüttgers „ein sehr gutes Ergebnis“ für das Ruhrgebiet – und für sich selbst. Mit Bonse-Geuking an der Spitze der Stiftung werde „der Aufbau eines neuen Dax-orientierten Unternehmens gelingen“, glaubt Rüttgers. Und auf den Folgekosten des Bergbaus wird das Land auch nicht sitzen bleiben: NRW besitzt mit vier Sitzen im Stiftungskuratorium eine Sperrminorität, um zu verhindern, dass die RAG-Stiftung sich doch noch verselbständigt und die gesamte Kohle verpulvert. Dazu hat Rüttgers seinen Joker Ulrich Hartmann als Vorsitzenden des Kuratoriums der Kohlestiftung durchgedrückt: Der Eon-Aufsichtsratsboss beriet Rüttgers schon zu Beginn von dessen Amtszeit in Sachen Haushaltssanierung.

Werner Müller: Der RAG-Chef hat zumindest die eine Hälfte seines Hinterns gerettet. Wäre es nach Rüttgers gegangen, hätte Müller zum Klavierspielen in Rente gehen können. Nun leitet er die börsennotierte neue RAG. Mit seinem ehemaligen Kollegen Bonse-Geuking kann auch er gut leben, die beiden kennen sich aus gemeinsamen Veba-Zeiten. Ein Sprecher Müllers lobte gestern die „ausgezeichnete Wahl“. Weil der Stiftungschef künftig aber von der Politik eingehegt wird, darf Müller insgeheim hoffen, doch der mächtigste Mann im Ruhrkohleland zu bleiben.

Die IG BCE: Gewerkschaftsboss Hubertus Schmoldt kann seine Belegschaft beruhigen. „Damit ist der Weg frei für den RAG-Börsengang und das Steinkohlefinanzierungsgesetz“, sagte er gestern. Die Subventionen für die rund 33.000 Bergleute auf den acht verbliebenen Zechen laufen weiter. Das Kohlegesetz kann noch vor der Sommerpause in den Bundestag eingebracht werden. „Das von IG BCE und RAG gemeinsam verfolgte Zukunftskonzept hat sich durchgesetzt“, lobte Schmoldt sich und seinen Kumpel Müller. Die Kollegen aus SPD und CDU ignorierte er locker. Und vielleicht hat Schmoldt ja die Revisionsklausel für das Jahr 2012 im Hinterkopf, um den Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau doch noch... besser nicht.

Die Kleinen: „Die Quälerei ist vorbei“, atmete Grünen-Fraktionsvize Reiner Priggen auf. Vermutlich auch deshalb, weil seine Partei als ständiger Mahner im Kohlestreit auftrat, aber null Einfluss auf die Entscheidungen hatte. Kein Wunder, dass er nicht in die Jubelarien einstimmen will: „Das Geld wird eh nicht reichen, um die Folgekosten des Bergbaus zu decken.“ FDP-Fraktionschef Gerhard Papke ist dagegen froh, dass der Vorstand der Stiftung nicht mit Politikern besetzt ist: „Das war immer unsere Forderung“, sagte er.

Und wer hat Probleme? Mal wieder die SPD. Mit Ex-Bundesfinanzminister Hans Eichel sagte ihr Wunschkandidat für den Vizeposten der Kohlestiftung nur einen Tag nach seiner Berufung ab. Jetzt müssen die Sozialdemokraten schleunigst Ersatz besorgen – vielleicht lohnt sich ein Anruf bei Wolfgang Clement.

HOP, KAN

WIRTSCHAFT UND UMWELT, SEITE 8