„Die Leute verschließen sich“

Lesung zum Gedenken an die Opfer von Srebrenica

■ 64, lebt seit 1968 in Hamburg. Kamber stammt ursprünglich aus Bosnien. Sie ist Schriftstellerin, Journalistin, Übersetzerin und Dozentin

taz: Frau Kamber, Sie waren 2009 in Srebrenica. Welche Eindrücke haben Sie von dort mitgebracht?

Emina Kamber: Man bekommt eine Ohnmacht, wenn man dort vor Ort ist. Wenn man zum Beispiel auf den Berg geht und weiß, dass von dort aus auf die Menschen geschossen wurde.

Mit welchen Texten werden Sie an dieses Kriegsverbrechen erinnern?

Ich möchte eigene Texte aus der Zeit des Krieges in meiner Heimat vorlesen. Ich habe jene Zeit mit 17 Flüchtlingen in Hamburg verbracht. Ich habe diese grausamen Erlebnisse, auch wenn es eine Entfernung von 2.000 Kilometern gab, am eigenen Leibe in meinen eigenen vier Wänden so stark und spürbar erlebt.

Was kann Literatur für den Versöhnungsprozess bedeuten?

Literatur hat nicht die Aufgabe zu belehren – auf keinen Fall! Literatur hat die Aufgabe, offen zu sein. In Srebrenica dagegen ist es bis heute unmöglich, offen über den Krieg zu reden. Die Menschen in Srebrenica brauchen viel Zeit, bis sie sich wieder öffnen.

Mit dem Zerfall Jugoslawiens ersetzten Bosnisch, Kroatisch und Serbisch als Amtssprachen das vorher gemeinsame Serbokroatische. Was bedeutet das für Sie?

Ich bin meiner Identität als Autorin beraubt worden. Ich schreibe auf Serbokroatisch, weil ich damit aufgewachsen bin. Meine Bücher werden deshalb in Bosnien und Kroatien nicht gelesen, weil es die Sprache der Vergangenheit ist. INTERVIEW:
DKU

19 Uhr, Gemeinde St. Markus, Heider Straße 1