Albaniens Staatschef in Belgrad

SERBIEN Von Einvernehmen und guter Nachbarschaft kann zwischen den verfeindeten Staaten nicht die Rede sein, auch wenn die EU das gerne so hätte

AUS BELGRAD ANDREJ IVANJI

Fast 68 Jahre sind vergangen, seit der kommunistische Staatsführer Albaniens, Enver Hoxha, den jugoslawischen Marschall auf Lebzeiten, Josip Broz Tito, in Belgrad besuchte. Als Tito 1948 mit Stalin brach, trennten sich die Wege der beiden Länder. Staatsbesuche auf höchster Ebene blieben danach aus – bis zum gestrigen Montag, als sich Albaniens Ministerpräsident Edi Rama mit seinem serbischen Amtskollegen Aleksandar Vucic traf.

Das wichtigste bei dem „historischen“ Staatsbesuch war offensichtlich, dass er überhaupt stattgefunden hat. Denn der Besuch von Edi Rama musste nach den Ausschreitungen bei dem Länderspiel der beiden Fußballmannschaften Mitte Oktober in Belgrad um einen Monat verschoben werden. Es folgten nationalistische Ausbrüche auf beiden Seiten, Tirana bezichtigte Belgrad des „Chauvinismus“, Serbien beschuldigte die albanische Regierung der „großalbanischen“ Aggression auf dem Balkan.

Und dass es trotz der von der EU erwarteten optimistischen Sprüche über einen „Neubeginn“ und die „Notwendigkeit“ gutnachbarschaftlicher Beziehungen schwierig sein würde, alle Probleme angesichts der „gemeinsamen europäischen Zukunft“ zu überwinden, zeigte auch die im serbischen Staatsfernsehen live übertragene Pressekonferenz nach den Gesprächen zwischen Vucic und Rama. Nachdem Vucic die Hoffnung äußerte, dass „pragmatische“ Beziehungen der beiden Staaten zum „politischen und wirtschaftlichen“ Fortschritt führen würden, wurde die lange Ansprache von Rama für die serbischen Zuschauer nicht ins Serbische übersetzt. Als Vucic empört wieder das Wort ergriff und scharf sagte, dass er keine „Provokation“ von Rama erwartet hätte, dass er nicht zulassen würde, dass Serbien „in Belgrad erniedrigt wird“, wusste man zunächst nicht, was Albaniens Ministerpräsident „verbrochen“ hatte.

Rama sagte, so erfuhr man später, dass die Unabhängigkeit des Kosovo „Realität“ sei. Vucic erwiderte, dass er nicht wüsste, was der Regierungschef Albaniens mit dem Kosovo zu tun habe, aber dass der Kosovo ein Bestandteil Serbiens sei, und dass er das auch in Tirana wiederholen würde, „ohne die Gastgeber zu provozieren“. Rama wiederholte kalt, dass man sich mit der Unabhängigkeit des Kosovo abfinden sollte. „So viel zum Neubeginn“, spotteten Journalisten.