ORTSTERMIN
: Frieden, Peace, Hoa binh!

BERLIN Am Potsdamer Platz demonstrieren Hunderte Vietnamesen zu Marschmusik aus dem Krieg. Die Touristen finden’s toll

Hunderte vietnamesische Fahnen wehten am Samstag über dem Potsdamer Platz. Dazu gab es Marschmusik aus der Zeit des Vietnamkriegs aus dem Lautsprecher und Rufe wie „Hände weg von Vietnam“ und „Wir wollen Frieden, Peace, Hoa binh“.

Doch wurde hier kein historischer Film über die Friedensbewegung zur Zeit des Vietnamkrieges gedreht. Vietnamesen selbst waren auf die Straße gegangen und protestierten nicht etwa gegen die USA, sondern gegen China. „China beansprucht völkerrechtswidrig 80 Prozent des Südchinesischen Meeres als sein Hoheitsgebiet. Das wollen wir nicht zulassen“, sagt Organisator Vu Quoc Nam. In dem Gebiet liegen einige Inseln, die Vietnam beansprucht. Vor allem aber werden reiche Ölvorkommen vermutet. „Es gab auch gewaltsame Angriffe der Chinesen auf vietnamesische Fischer und Schiffe“, fährt der Mann fort. Und ein kleines Mädchen, das aus Thüringen mit ihren Eltern zum Protestieren gekommen war, sagt: „China will was von unserem Land wegnehmen. Und Vietnam ist schon so klein.“

Die 1.000 (Veranstalterangaben) beziehungsweise 350 (Polizei) Demonstranten sehen ihr Herkunftsland in Kriegsgefahr. In Stimmung brachten sie sich durch vietnamesische Militärmärsche, die vom Band gespielt und lautstark mitgesungen wurden. Die vielen Touristen auf dem Potsdamer Platz wähnten sich auf einem Open-Air-Konzert. Eine norwegische Familie war begeistert, was Berlin so Exotisches zu bieten hat. Viele Begeisterte klatschten mit und schossen Fotos für das Urlaubsblog oder das Familienalbum.

Zum Abschluss der Kundgebung war die Stimmung auf den Höhepunkt: Die Demonstranten marschierten in Einerreihe zu Militärmärschen über den Potsdamer Platz. Sie schwenkten Fahnen. Ihre Körper waren in vietnamesische Fahnen und Stirnbänder gehüllt. Einzelne Berliner reihten sich fröhlich ein.

Ganz ohne Schatten ging es nicht: Eine Einigung mit der ebenfalls in Deutschland lebenden Gruppe der Bootsflüchtlinge, die die vietnamesische Regierung kritisch sehen, war geplatzt. Beide Vietnamesengruppen stehen sich feindlich gegenüber. Ein einzelner Bootsflüchtling war dennoch gekommen und pöbelte laut. Die Polizei brauchte eine halbe Stunde, um den Mann zu beruhigen. MARINA MAI