„Von Teilzeitstellen kann ich Frauen nur abraten“

Wer als Frau Karriere machen will, muss eine Vollzeitstelle haben, meint Sue Unger, Topmanagerin beim Autokonzern Chrysler. Und: Frauen sollten technische Berufe ergreifen

SUE UNGER, geboren in Detroit (USA), arbeitet seit 1972 für Chrysler. Seit 1998 ist sie Vizepräsidentin der DaimlerChrysler AG

taz: Frau Unger, warum machen Frauen in den USA häufiger Karriere als in Deutschland?

Sue Unger: Die Frauen hier müssen sich mehr auf technische Berufe besinnen! Denn dort bieten sich riesige Chancen. In einem Feld, in dem es nur zwei, drei Frauen gibt – da werde ich bemerkt. Ich war verwundert, als ich das erste Mal eine deutsche Uni betrat. Erst dachte ich: Wie schön, dass hier so viele Frauen studieren. Dann ging ich zu den Ingenieurwissenschaften. Da saßen dann nur noch Männer. In den USA ist das anders.

Aber müssen Frauen in Männerdomänen nicht erst recht gegen Vorbehalte kämpfen?

Das Problem ist eher, dass Frauen dort keine Rollenvorbilder haben. Und dass sie sich nicht so gut wie Männer selbst vermarkten. Frauen neigen manchmal dazu, vor risikoreichen Projekten zurückzuschrecken. Dabei sind genau das die Dinge, mit denen man auffällt. Und natürlich müssen Frauen den Irrglauben ablegen, dass ihr Boss sie schätzt, wenn sie nur hart genug arbeiten. So läuft das nicht. Eine Frau muss ihrem Boss auch erzählen, was sie alles Tolles getan hat. Und natürlich ist Networking sehr wichtig! Deshalb finde ich diesen Gipfel großartig.

Einige Frauen aber haben Vorbehalte gegen Networking. Sie halten es für eher karriereschädlich, in reine Frauennetzwerke einzutreten.

Früher dachte ich auch so. Am Anfang meiner Karriere waren fast alle Frauen, die in meiner Firma arbeiteten, Sekretärinnen. Aber es gab ein paar Frauen, die Traineeprogramme durchliefen. Doch zusammengeschlossen haben wir uns nicht. Wir hatten eine riesige Scheu vor dem Label „Frauennetzwerk“. Dabei wäre es gut gewesen, sich auszutauschen. Irgendwann, Jahre später, sagten wir uns: Das wollen wir in Zukunft besser machen. Jetzt treffen wir uns regelmäßig zum Frühstück. Und wir haben ein „Frauenforum“ der Chrysler Group ins Leben gerufen.

Eine McKinsey-Studie, die hier vorgestellt wurde, benennt einen anderen Grund für mangelnde Karriereerfolge: Deutsche Frauen beteiligen sich zu wenig an der insgesamt geleisteten Arbeitszeit. Ist Dauerpräsenz im Büro wirklich so wichtig für die Karriere?

Frauen sollten möglichst erst gar nicht bei einer Firma anfangen, die nicht eine Betriebskita oder flexible Arbeitszeiten anbietet. Von Teilzeitstellen aber kann ich Frauen, die Karriere machen wollen, nur abraten. Ein Problem allerdings ist, dass hier in Deutschland die Schulen oft so früh enden. Meine Kinder hatten in den USA bis 15.30 Uhr Schule. Und dann bot die Schule bis 18 oder 19 Uhr ein anschließendes Programm an. Die Kinder konnten gleich vor Ort ihren Hobbys nachgehen. Das hat zwar eine kleine Gebühr gekostet, aber wir mussten unsere Kinder nicht nachmittags durch die Gegend kutschieren.

Was ist denn die optimale Lebensplanung für eine Frau, die beides will: Kind und Karriere?

Ich kann nur sagen, wie ich mich entschieden habe. Die ersten Jahre im Job habe ich wahnsinnig viel gearbeitet. Mein Mann und ich beschlossen, erst mal keine Kinder zu haben. Erst als ich mich beruflich etabliert fühlte, sagte ich: Nun ist die Zeit reif für eine Familie. Da war ich 29 Jahre alt. Meine Firma hatte gar keine Regelung für diesen Fall – eine schwangere Führungskraft hatte es noch nie gegeben. Ich blieb sechs Wochen zu Hause, dann kam das Kind zur Tagesmutter.

Hierzulande stößt eine Mutter, die ihr Kind so früh außer Haus gibt, oft auf Unverständnis. Brauchen wir nicht auch ein gesellschaftliches Umdenken?

Frauen sollten sich nicht drangsalieren lassen von dem, was gerade gesellschaftliche Konvention ist. Neulich habe ich meine Tochter – sie ist jetzt 22 – gefragt, ob sie nicht etwas vermisst hat, weil ich so viel gearbeitet habe. Sie hat nur den Kopf geschüttelt. Sie sagte: Wenn du abends zu Hause warst, warst du auch wirklich für uns da. Das war wichtig. Jede Frau muss selbst entscheiden, was für sie gut ist. Warum zum Beispiel müssen kleine Kinder um acht im Bett sein? Sie können doch auch um zehn schlafen gehen. Dann kann die Mutter Karriere machen – und abends bleiben ihr noch ein paar Stunden mit dem Kind.

INTERVIEW: COSIMA SCHMITT