: Zirkus Berlusconi
ITALIEN Kunstkritiker Vittorio Sgarbi amüsiert wegen seiner Plattheit und wegen seiner Nähe zur Macht
Das Gesicht ist schlaff, die Pupillen sind erweitert, dem Mann steht der Schaum vor dem Mund: „Du bist doch besoffen, drogenabhängig, ein Dealer bist du!“ Der Mann ist außer sich, wie er auf den eingebildeten Feind einschreit, sein Körper sieht seltsam verkrümmt aus. Doch je mehr er sich aufregt, umso mehr amüsiert sich das Publikum. Schließlich greift die städtische Polizei ein, die in Italien eine weiße Uniform trägt. Wenn man sie aus der Ferne betrachtet, könnte man die Beamten für kräftige Krankenpfleger halten, die einen Ausgeflippten einliefern sollen. Sie bringen den Mann schließlich weg, aber der wehrt sich: „Sie haben mich mit Flaschen und Dose beworfen und bespuckt!“ Aber niemand hat etwas gesehen.
Nein, das hier ist keine Boulevardkomödie oder ein Film von Fellini, sondern nur einer aus dem „Zirkus Berlusconi“, der sich auf der Bühne des Buchfestivals von Polignano, Apulien, vorstellt: Und zwar als Kurator des italienischen Pavillons bei der 54. Biennale in Venedig. Sein Name ist Vittorio Sgarbi.
Sgarbi ist ein Scheusal, ein Symbol der politischen und intellektuellen Klasse, die in Italien den „Berlusconismo“ repräsentiert: ewig unverheiratet, jedoch immer mit ein paar schönen Frauen im Arm – natürlich nie den gleichen: Hauptsache, der Ausschnitt ist tief genug.
Sgarbi ist ein bekannter Moderator mit höchstens halbseidener Kompetenz in Kunstdingen, die er sich durch den Fernsehverkauf von Bildern und Plastiken erarbeitet hat – natürlich im Privatfernsehen seines Herrn Berlusconi. Vor allem aber ist Sgarbi unbestittener Meister in einer ganz speziellen Kategorie, der des politischen Transformismus: Nicht weniger als 13 Parteimitgliedschaften in 20 Jahren hat er hinter sich gebracht, darunter die Monarchistische Union, die Kommunistische Partei und selbstverständlich die „Volk der Freiheit“ Berlusconis.
Nun, da der Bunga-Bunga-Demiurg Silvio, der in der schlechten Seifenoper, deren Hauptfigur er in den letzten zwanzig Jahren der italienischen Geschichte gewesen ist, langsam und quälend zum Ende kommt, schlaffen auch seine Kreaturen deutlich ab. Es ist wohl nicht mal mehr der Überlebensinstinkt, der sie wie Sgarbi ausflippen lässt, sondern nur der übermäßige Viagragebrauch. Und endlich lachen die Italiener – obwohl sie eigentlich weinen müssten um all die schönen verlorenen Jahre.
RICCARDO VALSECCHI
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen