„Die Grünen haben die soziale Frage vergessen“

Rüdiger Sagel, bis zum Freitag haushaltspolitischer Sprecher der Grünen im NRW-Landtag, gefällt es bei der LINKEN ziemlich gut

RÜDIGER SAGEL, 51, war bis letzten Freitag haushaltspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag von NRW. Im Jahr 1989 wurde er Mitglied der Partei, unterstützt hat er sie schon länger.

taz: Herr Sagel, warum haben Sie die Grünen verlassen? Und was trieb Sie zum Gründungsparteitag der LINKEN?

Rüdiger Sagel: Drei Gründe: Der erste ist die grüne Haltung zur Außenpolitik. Ich hatte gehofft, dass wir in der Opposition wieder zu unseren gewaltfreien Grundsätzen zurückfinden, aber das ist nicht passiert. Der zweite Grund ist Hartz IV. Die Grünen bekennen sich weiter zu diesen unsozialen Gesetzen. Drittens: Die Thesen der grünen Marktwirtschaft sind verfehlt. Dahinter stecken wirtschaftsliberale Vorstellungen, die wohl perspektivisch für eine schwarz-grüne Koalition taugen sollen. Das ist nur für eine gutverdienende Elite attraktiv. Sie zeigen, dass die Grünen-Führung die soziale Frage vergessen hat.

Das erklärt, warum Sie ausgetreten sind. Aber warum sind Sie hier?

Um mir anzuhören, ob es in der neuen Partei eine Perspektive für ökologische Linke geben kann. Und ich habe sehr positive Dinge gehört.

Etwa Lafontaine: Verstaatlichung helfe gegen Klimawandel?

Weder Oskar Lafontaine noch ich wollen alles verstaatlichen. Aber dass die Energieversorgung in die kommunale Hand zurückgeführt werden sollte, ist ebenso ein richtiger Ansatz wie der einer staatlichen Regulierung der Preise.

Kann wirklich die LINKE die Grünen bei der Ökologie ausstechen?

Natürlich gibt es in der LINKEN noch keine große ökologische Kompetenz. Aber das lässt sich ändern. Außerdem bin ich nicht der Einzige, der mit dem Kurs der Grünen unzufrieden ist. Die Partei muss aufpassen, dass ihr die Ökoexperten aus dem linken Flügel nicht weglaufen. Wenn sie zur Linkspartei gehen, könnte diese sehr schnell an ökologischer Kompetenz gewinnen.

Glauben Sie, weitere Politiker erwägen, zur LINKEN zu gehen?

Das ist durchaus möglich. Einige ehemalige Grüne sind bereits in der WASG, weitere könnten folgen.

Wie soll die LINKE jemals eine Ökopartei werden? Ihre stärksten Verbände in Sachsen und Brandenburg können nicht mal eine klare Haltung zum Braunkohleabbau einnehmen, weil sie dann einen Teil ihrer Wähler verprellen würden.

Die Probleme, die jeder Strukturwandel mit sich bringt, müssen gelöst werden. Sie müssen sozial- und umweltverträglich gelöst werde. Die Bergarbeiter dürfen nicht alle ihre Arbeit verlieren. Man muss sich dieser Menschen annehmen und ihnen helfen, diese Brüche zu überwinden. Die Linke versucht das, die Grünen tun das nicht.

Seit wann wissen die Grünen im NRW-Landtag, dass ihnen nun ein haushaltspolitischer Sprecher fehlt?

Seit Freitag, da bin ich aus Partei und Fraktion ausgetreten. Sie waren auch ziemlich überrascht. Meine Kritik an der Entwicklung der Grünen war zwar schon vorher bekannt. Aber ich habe mich jetzt zu diesem Schritt entschieden, weil ich die Arbeit bis zur Sommerpause noch erledigen wollte. Da bin ich preußischer Westfale. Außerdem wollte ich das vor dem nächsten Grünen-Parteitag abschließen.

Ab wann sitzen Sie als erster Abgeordneter der LINKEN im Düsseldorfer Parlament?

Ich halte nichts davon, gleich wieder irgendwo einzutreten, nachdem ich woanders ausgetreten bin. Aber ganz unwahrscheinlich ist dieses Szenario nicht, sonst wäre ich kaum hier.

INTERVIEW: DANIEL SCHULZ