Ladenschluss für die rechte Szene

Die Stadt Dortmund will die Ansiedlung von Nazi-Shops in der Innenstadt-West verhindern, um das Viertel attraktiver zu machen. Vermieter werden über die braunen Gäste aufgeklärt, außerdem soll eine Verordnung das geplante Comeback der Rechten verhindern

AUS DORTMUND SIMON BÜCKLE

Die Rheinische Straße im Dortmunder Westen: Verfallene Häuser, leer stehende Geschäfte, eine verwahrloste Gegend. „Man sieht den Straßen an, dass das Viertel herunter gekommen ist“, sagt Manfred Krüger-Sandkamp, der stellvertretende Bezirksvorsteher von Innenstadt-West. Alte Männer in Unterhemden prägen hier das Bild, gelangweilt lehnen sie sich aus dem Fenster. Frauen mit Kinderwagen und Kopftuch sind auf dem Weg zum türkischen Gemüseladen, Kinder kicken einen ramponierten Ball gegen die Häuserwände.

Viele Menschen mit Migrationshintergrund leben in diesem Teil der Innenstadt, jeder Fünfte ist arbeitslos, jeder Vierte hat keinen deutschen Pass. In den vergangenen fünf Jahren zogen 40 Prozent der Bewohner weg und neue hinzu. Hausbesitzer können hier keine hohen Mieten verlangen, sie sind über jeden Pächter froh – eine Situation, die Neonazis seit Jahren immer wieder auszunutzen verstanden haben, indem sie Geschäfte für Nazi-Zubehör eröffneten.

Dem hat die Stadt Dortmund jetzt einen Riegel vorgeschoben. Der Stadtrat verhängte Anfang April für die kommenden zwei Jahre eine so genannte Nutzungsänderungssperre für das Viertel. „Es dürfen keine neuen Geschäfte aufmachen, in denen zum Beispiel Bekleidung, CDs, Bücher und Fachzeitschriften verkauft werden“, erklärt Udo Bullerdieck, Pressesprecher der Stadt. „Und die Sperre gilt auch für Gesundheits- und Körperpflege. Wir denken, dass damit beispielsweise auch ein Tattoo-Studio abgedeckt ist.“ Mit der Regelung wolle man in Dortmund keineswegs einzelne Läden verbieten, sondern lediglich den Einzelhandel in der Innenstadt schützen, so die offizielle Begründung seitens der Stadt. Wie dem auch sei, die „Nutzungsänderungssperre“ ist ein wichtiger Schritt zur richtigen Zeit.

Der Nazi-Shop „Donnerschlag“ in der Rheinischen Straße, in dem sich Rechte mit CDs, Kleidung und Accessoires einzudecken pflegten, hatte zwar Ende April schließen müssen; die Betreiber des Ladens hatten die Miete nicht mehr bezahlen können und der Hauseigentümer hatte seit geraumer Zeit nach einer Möglichkeit gesucht, die Nazis vor die Tür zu setzen. Doch der Mieter des Ladens, der Strohmann Andreas O., hatte bereits im Februar Mietverträge für zwei neue Ladenlokale unterschrieben und das Geschäft, um eine Zwangsräumung zu vermeiden, dem Eigentümer freiwillig übergeben. In den Räumen einer Kneipe und einer Pizzeria wollten einschlägig bekannte und vorbestrafte Rechtsextreme einen Nachfolger des „Donnerschlags“ und ein Tattoo-Studio eröffnen. Durch die von der Stadt verhängte Sperre wurden jedoch Anträge auf Nutzungsänderung nötig. Und die hat das Bauordnungsamt nun abgelehnt. Sowohl das Textilgeschäft als auch das Tattoo-Studio fallen unter das Verbot.

Diese Entscheidung trifft die rechte Szene in Dortmund schwer. Seit Jahren versucht sie, das Viertel zu übernehmen. Erst eröffnete im Haus Rheinische Straße Nr. 135 das Geschäft „Buy or Die“, in dem Nazi-Zubehör über den Ladentisch ging. Als dieser Laden dichtmachte, trat gleich nebenan der „Donnerschlag“ die Nachfolge an.

„Dann wird die unangenehme Nazi-Clique hoffentlich für immer verschwinden“

Immer mehr Rechte zogen in die umliegenden Häuserblocks, bauten den „Donnerschlag“ zu einem Szenetreff, zur Organisationszentrale mit überregionaler Bedeutung aus. Hier trafen sich Nazis, zeigten Präsenz auf den Straßen des Viertels und planten Aktionen. Nach dem Überfall auf die alternative Kneipe „Hirsch-Q“ in der Dortmunder Innenstadt, bei dem vor rund einem Jahr vermummte Rechte Scheiben einwarfen, Reizgas versprühten und die Gäste des Lokals mit Schlagstöcken verletzten, kamen Gerüchte auf, der Angriff sei im „Donnerschlag“ geplant worden.

Den Anwohnern im Dortmunder Westen jedoch wollten die Nazis ein Gefühl der Sicherheit geben: Sie patrouillierten auf der Straße, waren höflich zu den älteren deutschen Frauen und behielten die jungen Türken im Auge. Die Reaktionen der Anwohner waren und sind unterschiedlich. „Die grüßen immer nett, ich komme gut mit denen klar“, sagt etwa Ursula (72). Eine größere Sicherheit durch die Nazi-Präsenz auf der Straße des Viertel empfindet Karl-Heinz (53) nicht: „Es war vorher auch nicht unsicher. Wir kommen hier doch alle gut miteinander aus.“ Bei den Migranten verkehrt es sich sogar ins Gegenteil. „Es ist eine Provokation, wir fühlen uns bedroht“, berichtet Aidin (27) entrüstet. Nach Meinung des stellvertretenden Bezirksvorstehers, Manfred Krüger-Sandkamp, ist dieses Gefühl verbreitet: „Die Anwohner haben Angst vor den Faschisten, aber wegen dieser Angst trauen sie sich oft nicht, diese auch kenntlich zu machen.“

Die politische Linke der Stadt hat zu Zeiten des „Donnerschlags“ immer wieder versucht, auf das Problem aufmerksam zu machen und eine Schließung des Ladens zu erwirken. Im Mai vergangenen Jahres übergab das Bündnis gegen Rechts dem Rat der Stadt Dortmund eine Liste mit 2.300 Unterschriften. Unter dem Motto „Schöner leben ohne Nazi-Läden“ demonstrierten mehr als tausend Menschen vor dem Szenetreff.

Nach Meinung Krüger-Sandkamps jedoch reichen solche einzelnen Aktionen nicht, es gehe um die tägliche, konkrete Arbeit im Viertel. Ein Bestandteil war und ist die Aufklärung der Vermieter. In dem öffentlichen Aufruf „Nazis aus dem eigenen Haus halten“ erklärte die Bezirksvertretung im August vergangenen Jahres den Hausbesitzern die Bedrohung durch die Rechten und bot zugleich Beratung an. „Wir wollten ein Signal setzen, dass die Politik aktiv wird, und den Bürgern zeigen, dass man sich gegen die Nazis im Viertel wehren kann“, beschreibt Krüger-Sandkamp den Hintergrund der Aktion.

Hausbesitzer können keine hohen Mieten verlangen, sind über jeden Pächter froh

Die Aufklärungskampagne erreichte jedoch nicht alle Hauseigentümer, und so konnte Strohmann Andreas O. weitere Geschäfte anmieten. Das Haus Nummer 143 etwa gehört einem niederländischen Unternehmer, der Verwalter des Hauses, ein Wolfgang May, sitzt allerdings in Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern. Dieser erfuhr nach eigenen Angaben zu spät, wen er sich da ins Haus geholt hatte. „Ich hatte ja keine Ahnung. Da hat die Bezirksvertretung in Dortmund gepennt, die Schuld nehme ich nicht auf mich“, sagt der Verwalter. Krüger-Sandkamp von der Bezirksvertretung sieht das etwas anders: „Ich denke, dass ihm egal ist, um was für Mieter es sich handelt – Hauptsache das Geld kommt rein.“

Dass Nazis überhaupt immer wieder Ladenlokale anmieten konnten, ist das Ergebnis einer Taktik, auf die die Bezirksvertretung in ihrem Schreiben hingewiesen hatte: Die Gespräche mit den Eigentümern führen konventionell erscheinende Strohmänner wie Andreas O., die die Ladenlokale später von ihren Kameraden betreiben lassen. „Der neue Mieter erschien mir unbedenklich, er war gut gekleidet, mit Anzug und Hemd“, erklärt sich Verwalter Wolfgang May, wie er auf das Vorgehen der Nazis hereinfallen konnte.

Trotz gültiger Verträge können die Rechten nun also keine neuen Geschäfte mehr aufmachen. Manfred Krüger-Sandkamp freut sich darüber, warnt aber zugleich: „So werden Nazis nicht ver-, sondern nur behindert. Unsere Arbeit muss weiter gehen.“ Ansatzpunkt ist dabei der Zustand des Viertels, besonders der herunter gekommenen Immobilien. Würden etwa in der Rheinischen Straße die Mieten steigen, fiele es den Nazis noch schwerer, Ladenlokale anzumieten. Das Stichwort heißt Quartiers-Management: Zwei Stellen für Mitarbeiter, die sich hauptberuflich um die sozialen Probleme sowie die leer stehenden Immobilien kümmern und die Bürger besser organisieren sollen, wurden beim Land Nordrhein-Westfalen beantragt. Das Projekt könnte laut Krüger-Sandkamp im September starten: „Dann wird das Viertel sozusagen ‚von unten‘ entwickelt und die unangenehme Nazi-Clique verschwindet hoffentlich für immer.“