Zehn Jahre taz-Geschichte in Nordrhein-Westfalen – die Serie. Folge 3: Der Pazifismus von 1999
: Mit alten Computern gegen den Kosovokrieg

Das Jahr der Entscheidung – für die taz ruhr und die rot-grüne Bundesregierung. Die einen sitzen auf einem alten Bochumer Industriegelände an C64ern, die anderen stimmen in Berlin für den ersten Kriegseinsatz der Bundeswehr. „Hurra! Es wird wieder zurückgeschossen“ titelt die Ruhrtaz. Die Berliner Redaktion stand damals hinter Kosovokrieg und Hufeisenplan. Heute schmückt die Ausgabe im Berliner taz-Haus die Wand der legendären Schlagzeilen. Auch wenn das Mutterhaus einen anderen Tenor anschlägt.

Die Grünen sind weniger amüsiert. Auf ihrem Entscheidungsparteitag in Bielefeld wird taz-ruhr-Redakteur Thomas Stratmann von linken Kriegsgegnern verprügelt – bis sie die Ruhr-Ausgabe sehen. Später wird Stratmann von der Polizei festgehalten. Er soll Farbbeutel auf Joschka Fischer, damals grüner Außenminister a.D., geworfen haben. Hat er nicht, nur Zeitungen verteilt.

Die taz ruhr. Mittlerweile gibt es hunderte von Solidaritätsabos. Wieder zu wenig. Noch immer erhalten die RedakteurInnen keinen Pfennig für ihre Artikel. Als Berlin einmal Zeilengeld schickt, wird der dreistellige Betrag kollektiv am selben Abend versoffen. Die taz im Revier ist eine Idee von Idealisten, keine Lebensversicherung. Sowieso wird die Produktion jedes Mal zur Nachtschicht – einige arbeiten nebenbei oder studieren. Wenn die Zeitung endlich Mittwochmittag über langsame Telefonleitungen zur Frankfurter Druckerei gelangt ist, liegen alle erschöpft auf dem Teerdach und träumen von einer täglichen Ausgabe. Einer, die den moderigen Monopolzeitungen was entgegen setzt. Nicht nur für PazifistInnen.

Im Sommer erscheint wieder die bange Frage auf der Titelseite: Steht die taz im Ruhrgebiet vor dem Aus? Benötigt werden 50.000 Mark in zwei Monaten. Das Geld kommt nicht rein, dafür gibt es noch ein paar schmalere Ausgaben, dann keine mehr. Trotzdem haben sich die zehn SchreiberInnen donnerstags in der Kneipe getroffen und über kommende tazzen gesprochen. Es sollte noch drei Monate dauern, bis wir wieder schreiben konnten. ANNIKA JOERES