Nicht schwindelfrei

DOKU Ein Schausteller- leben als „Achterbahn“ (22.25 Uhr, Arte)

In Berlin gibt es diese Orte, deren morbides Erscheinungsbild die Geschichte ihres Scheiterns eindrücklicher vermittelt als weitschweifige Erklärungen. Der Plänterwald ist so ein Ort, einst der stolze VEB Kulturpark Berlin, größter Rummelplatz der DDR. Nach der Wende als „Spreepark“ wiedereröffnet, wieder geschlossen. Schwanenboote verloren im Wald, ein Riesenrad, das sich nie wieder drehen wird. Wie ungemein fotogen das ist – Dokumentarfilmer Peter Dörfler muss das sofort klar gewesen sein.

Hinter gescheiterten Orten stehen gescheiterte Menschen. Norbert Wittes Geschichte ließe sich auch in Schlagzeilen erzählen: „Schnellste Achterbahn der Welt“; „Uns bleibt nur das rostige Riesenrad – Spreepark heimlich nach Peru verschifft“; „Kokain-Handel mit Karussell – War Spreepark-Witte nur ein Spielball der Drogenmafia?“.

„Einen Witte kann man letztlich nicht aufhalten“, „Der is eigentlich geboren, um Spektakuläres zu tun“, das sagen Menschen, die ihm nahe waren. Norbert Witte, ein Filou. Ein grandios pleite gegangener Schaustellerkönig, der am Ende wegen einer grandiosen Drogenschmuggelei im Knast gelandet ist. Einer, den das nicht brechen kann: „Irgendwann muss ja mal nach Regen Sonne kommen“, meint Witte in der JVA Plötzensee, Freigängerhaus. Wittes Sohn muss seine Zelle im überbelegten Knast von Lima teuer bezahlen – im Wortsinne. 20 Jahre hat er bekommen, für den vom Vater initiierten Kokaindeal. „Ich weiß nicht, ob ich mit dem Gedanken leben könnte, dass ich mein Kind in den Knast gebracht hätte“, fragt sich Wittes Tochter. Und der Zuschauer. Man kann Norbert Witte liebenswert finden. Oder verabscheuungswürdig. Oder beides. Er bleibt ein schillerndes Rätsel.

Schillernd ist auch der Berliner Chefplayboy Rolf Eden, der im Film zu Wort kommt und dessen Bekanntschaft mit „Spreepark-Witte“ nicht weiter verwundert. Über und mit Rolf Eden hat Dörfler seinen jüngsten Film gedreht. JENS MÜLLER